Unter anderem argumentieren die Befürworter der Teilakademisierung, dass die meisten Therapiepraxen nicht das Knowhow benötigen würden, das insbesondere an Hochschulen gelehrt wird. Laut Wolfgang Oster vom VDB-Physiotherapieverband dürfe das wissenschaftliche Evaluieren nicht die Bedeutung bekommen wie die eigentliche berufliche Tätigkeit der Physiotherapie. „Für über 80 Prozent der Physiotherapeuten geht es in den niedergelassenen Praxen darum, dass sie Patienten versorgen und bekommen auch nur das vergütet“, so Oster. „Was nützt es mir, wenn ich eine Praxis mit einem festen Patientenstamm habe und wenn ich in meiner Freizeit zusätzlich evaluiere und dokumentiere? Das passt nicht zum Vergütungssystem unseres Gesundheitssystems.“
Ein weiteres Argument gegen die Vollakademisierung ist, dass es schon so nicht gerade einfach ist, Menschen dazu zu bewegen, ein Therapieberuf zu studieren anstatt klassisch in der Berufsfachschule zu erlernen. Laut des Deutschen Verbands für Physiotherapie (ZVK) – übrigens einem Befürworter der Vollakademisierung – bestand der Akademisierungsanteil unter allen Auszubildenden der Physiotherapie 2017/2018 etwa 10 Prozent. Zudem sei es laut der DKG höchst fraglich, inwiefern es kurz- bis mittelfristig überhaupt gelingen sollte, entsprechende akademische Ausbildungskapazitäten zu schaffen.
Extraleistungen auch extra vergüten
Debattiert wird auch, wie im Falle einer Vollakademisierung die Finanzierung ausfallen wird. Soll das „Mehr“, was Hochschulabsolventen in den therapeutischen Alltag einbringen, auch entsprechend „mehr“ vergütet werden? Alle sind sich der Meinung, dass das so ein soll. Beispielsweise sagt auch die DKG, dass eine verbesserte Versorgungsqualität auch honoriert und besser vergütet werden soll. Aber woher das Geld nehmen, falls die Vollakademisierung Standard wird? Die Vergütung ist also ein weiteres Argument für die Teilakademisierung. Grundsätzlich sollen und müssen alle, die im Gesundheitsbereich arbeiten, besser vergütet werden als es bisher ist. Aber zusätzlich dürfen und sollen Extraleistungen auch entsprechend honoriert werden.
Weiterhin die Einstiegshürden in die Therapieberufe niedrig halten
Die Voraussetzungen, sich als Therapeut ausbilden zu lassen, sind an Berufsfachschulen niedriger als an einer Hochschule. Für letztere ist ein (Fach-)Abitur oder eine vergleichbare Qualifikation (beispielsweise durch eine vorherige Ausbildung) notwendig. Bei der Berufsfachschulausbildung reicht ein mittlerer oder gar geringerer Schulabschluss. Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist es für die Befürworter der Teilakademisierung unerlässlich, das so zu belassen. Denn laut des Privatschulverbands würden in etwa 60 Prozent der Auszubildenden mit einer mittleren Reife starten. „Durch die Vollakademisierung werden junge Menschen ohne (Fach-)Hochschulzugangsberechtigung vom Zugang in die Ausbildung ausgeschlossen“, sagt der Privatschulverband. „Es bestünde damit die Gefahr einer Fachkräfteverknappung in diesem Bereich“, ergänzt die DKG in ihrer Stellungnahme, „eine Vollakademisierung würde den bestehenden Personalmangel weiter verstärken.“
Auf der anderen Seite sollen Studiengänge dazu einladen, sich von Vornherein oder auch im Laufe des Berufslebens akademisch ausbilden zu lassen. Wer aus seinem Therapieberuf mehr herausholen möchte, kann sich beispielsweise fort- bzw. weiterbilden lassen. Auch jene, die in den Beruf mit einem geringeren Schulabschluss gestartet haben, hätten somit die Chance, später zu studieren.