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Allgemein, Heilmittel

Interview mit Dagmar Karrasch (dbl): "Wir wollen eine direkte Versorgung"

Im dritten Interview-Teil mit Dagmar Karrasch sprechen wir über die Blankoverordnung sowie über ihre Vision einer perfekten Heilmittel-Richtlinie.

Dagmar Karrasch, Präsidentin des Deutschen Bundesverbands für Logopädie e. V. (dbl), hat uns im ersten Teil des großen DMRZ.de-Interviews bereits Vorzüge wie Nachteile der neuen Heilmittel-Richtlinie aufgezeigt. Im dritten Teil geht es um einen bestimmten Aspekt der neuen Heilmittel-Richtlinie: Die Blankoverordnung. Außerdem stellt Dagmar Karrasch uns ihre Wünsche für eine perfekte Heilmittel-Richtlinie vor.

Frau Karrasch, in einem älteren Interview sagten Sie einmal: „Die Blankoverordnung ist für uns kein Fortschritt.“ Wie ist Ihre Meinung heute?

Dagmar Karrasch: Unsere Meinung dazu hat sich bis heute nicht geändert. Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass eine Blankoverordnung nicht die zukünftige Versorgung gestalten kann. Wir wollen stattdessen eine direkte Versorgung. Es stellt sich dabei nicht die Frage, ob wir in eine direkte Versorgung eingebunden werden sollen, sondern wann. Denn in den nächsten Jahren steigen die Versorgungsengpässe in der ärztlichen Versorgung. Es muss gar nicht lange überlegt werden, um welche Aufgaben es dabei gehen wird: Die Kompetenz für eine logopädische Diagnostik liegt bei uns, und die direkte Versorgung wird in spätestens zehn Jahren benötigt – aber wir werden aktuell nicht darauf vorbereitet, um die direkte Versorgung schon einmal innerhalb eines Modellvorhabens zu erproben.

Zudem sorgt das auch für Unzufriedenheit unter den Kolleg:innen, wenn Kompetenzen, die in unserer Berufsgruppe vorhanden sind, nicht abgeholt werden. Wir sehen leider immer wieder, dass Therapeut:innen ihren Beruf wechseln. Auch aufgrund der wirtschaftlichen und hierarchischen Rahmenbedingungen und der bisherigen Kompetenzverteilung. Wenn ich Leistungen erbringen könnte, die meinen Patient:innen mehr nützen, aber ich sie in dieser Form nicht erbringen darf, weil das einfach nicht vorgesehen ist. Aber auch aus der Perspektive der Patient:innen ist der Direktzugang sinnvoll. Weil ich dann nämlich zur Diagnostik oder auch nur zur Beratung im Vorfeld einer möglichen Therapieintervention direkt zum:zur Therapeut:in gehen kann. In der Direktversorgung kann man schauen und entscheiden, wie man mit dem:der Patient:in weiterarbeiten und den Behandlungsweg optimal anpassen kann. Damit kann man den Umweg über den:die Ärzt:in mit langen Wege- und Wartezeiten vermeiden.

Aktuell steht die genaue Umsetzung der Blankoverordnung ja eh noch aus.

Dagmar Karrasch: Es gab zwar schon ein Vorgespräch aller Verbände mit dem GKV-Spitzenverband dazu, aber die Verhandlungen haben noch nicht begonnen. Natürlich werden wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen und ernsthaft verhandeln, denn das ist unser gesetzlicher Auftrag. Aber es ist eben die Gestaltung von etwas, das unseres Erachtens nicht ausreichend zukunftsorientiert ist. Es muss unseres Erachtens klar sein, dass derjenige, der eine Verordnung ausstellt, auch die fachliche Verantwortung hat. Die liegt aber auch bei der Blankoverordnung weiterhin bei der:dem Ärztin. Dann muss dort auch die wirtschaftliche Verantwortung liegen. Wir haben hier ein Spannungsfeld.

Was wünschen Sie sich für zukünftige Heilmittel-Richtlinien?

Dagmar Karrasch: Ich habe einen Wunsch, mit dem sich alle anderen Probleme fast schon von alleine lösen ließen. Nämlich: Wir wollen aktiv mitgestalten! Also nicht nur zufällig oder nach Fertigstellung der Beschlussentwürfe einbezogen werden, sondern die Heilmittel-Richtlinien wirklich aktiv mitgestalten. Unsere Expert:innen haben zwar auch schon zur aktuellen Richtlinie inhaltlich Rückmeldung gegeben, aber eigentlich sind wir nur zur schriftlichen Stellungnahme und mündlichen Anhörung berechtigt. Wir glauben, dass die Heilmittel-Richtlinien – und damit die Zusammenarbeit von Ärzt:in und Therapeut:in – davon profitieren würden, wenn wir schon früher in den Entstehungsprozess einbezogen würden.

Außerdem wäre es gut, wenn die Heilmittel-Richtlinien weniger von dem vorwegnehmen, was in der Vertragsgestaltung zwischen Kostenträgern und den Leistungserbringer:innen geklärt werden sollte. Wir sind der Ansicht, die Heilmittel-Richtlinien sollten nur das Notwendige regeln und nichts darüber hinaus.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview mit Dagmar Karrasch ist noch nicht zu Ende: Im nächsten Teil unseres großen DMRZ.de-Interviews geht es um die Auswirkungen der Corona-Pandemie für den Bereich der Logopädie.

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