Interview Bernd Dietrich (VDP)
Heilmittel

Bernd Dietrich (VDP): „Die berufsfachschulische Ausbildung ist ein Erfolgsmodell“

Über den Fachkräftemangel in Therapieberufen und der Zukunft der Ausbildung sprachen wir mit Bernd Dietrich von der Allianz für Gesundheitsschulen.

Die Teilakademisierung von Therapieberufen wird unter anderem auch von den freien Schulen, den Privatschulen befürwortet. Wir sprachen dazu mit Bernd Dietrich, dem Sprecher der Allianz für Gesundheitsschulen, einer Initiative des Verbands Deutscher Privatschulverbände (VDP). Zudem ist Bernd Dietrich Jurist, gelernter Gymnasiallehrer, Schulgründer sowie Präsident des Verbands Bayerischer Privatschulen.

Herr Dietrich, was schlagen Sie vor, um Therapieberufe attraktiver zu machen?

Bernd Dietrich: Um eine flächendeckende Versorgung langfristig sicherzustellen, brauchen wir eine attraktive und zukunftssichere Ausbildung. Und ja, wir sehen grundsätzlich auch eine gewisse Notwendigkeit, einen bestimmten Anteil fachhochschulischer Studiengänge anzubieten. Zum Beispiel für Leitungsführungsaufgaben oder für die Lehrkräfte.

Wir sehen die berufliche und die akademische Ausbildung aber von Anfang an als Stufenmodell. So dass man von der berufsfachschulischen Ausbildung in die akademische Ausbildung gelangt – auch dann, wenn ich im Vorfeld nicht die Qualifikation für ein Hochschulstudium hatte. Aber genau aus diesem Grund sind wir für das Modell der Teilakademisierung.

Um die Attraktivität der Therapieberufe zu steigern, sehen andere aber, die Zukunft läge in der Vollakademisierung.

Bernd Dietrich: Denkbar ist alles, aber es ist eben auch nur eine Vermutung. Es ist unklar, ob eine Vollakademisierung erfolgreich sein wird oder nicht. Zum einen sehe ich, dass wir einen massiven Fachkräftemangel haben. Und zum anderen sehe ich, dass unsere Absolventen von den Berufsfachschulen gefragt sind. Wenn ich einen Mangel habe, dann sollte man die Zugangsvoraussetzungen für den Beruf nicht auch noch verschärfen.

Wir wissen, dass die berufsfachschulische Ausbildung ein Erfolgsmodell ist, dass sie eine große Beliebtheit hat und dass sie beim Arbeitgeber ankommen. Und deswegen möchten wir auch die Rahmenbedingen verbessern. Schulgeldfreiheit beispielsweise ist ein wichtiges Thema. Wir haben noch nicht alle Bundesländer schulgeldfrei. Und dann haben wir auch noch das Problem mit der der Ausbildungsvergütung. Für diese Dinge setzen wir uns ein.

Wir sehen die richtige Lösung in der Weiterqualifizierung. Und die Möglichkeit von einer Weiterqualifizierung sorgt dafür, dass ein Berufsfeld für Jede:n attraktiv bleibt. Das ist auch ein lebenslanger Lernrhythmus oder ein toller Weg, den ein:e Therapeut:in gehen kann. Was auch die Attraktivität steigern würde, das wäre ein Direktzugang. Also, dass der:die Patient:in nicht erst den Weg über Orthopäd:innen oder Hausärzt:innen gehen muss.

Aber aktuell ist doch so etwas wie der oft gewünschte Direktzugang ein relativ abstraktes und vages Argument für den Beruf des:der Heilmittelerbringer:in.

Bernd Dietrich: Das sind natürlich Prozesse, die klappen nicht in zwei Monaten. Aber es ist an der Zeit, Modellversuche durchzuführen. Wir sehen, dass da bereits ein positiver Weg eingeschlagen wird. Und zwar auch von denen, die vielleicht bisher nicht ganz so überzeugt waren davon.

Schauen wir uns die Vollakademisierung an: Dessen Befürworter betonen gerne, dass die Hochschulausbildung einen Mehrgewinn bietet. Also das, was auch die fachschulische Ausbildung bietet, plus zusätzliche, akademische Elemente. Das klingt doch verlockend.

Bernd Dietrich: Gerne wird die Ausbildung im Ausland als Beispiel verwendet. So, als ob unser europäisches Ausland hier das heilbringende Ausbildungssystem hätte. Leider ist es aber genau umgekehrt. Dass diejenigen, die aus dem Ausland zu uns kommen und eine „hochschulische“ Ausbildung durchlaufen haben, meist nicht so eingesetzt werden können, wie man meinen könnte. Oft sind das überwiegend Absolvent:innen, die noch nie eine:n Patient:in gesehen haben. Jene Absolvent:innen werden dann oft in unsere Berufsfachschulen zur Nachschulung geschickt.

Unsere Berufsfachschul-Absolvent:innen hingegen erhalten im europäischen Ausland viel Respekt und Anerkennung und können direkt im Arbeitsleben eingesetzt werden. Das spricht für die klassische Therapeut:innenausbildung in Deutschland.

Die Berufsfachschulen ließen sich aber doch auch gut in die akademische Ausbildung integrieren. Beispielsweise das Bündnis „Therapieberufe an die Hochschule“ schlägt in einem FAQ vor, dass die Lehrenden der Berufsfachschulen im Falle einer Vollakademisierung aktiv mitarbeiten können. Zum Beispiel für die praxisbezogenen Ausbildungsbereiche…

Bernd Dietrich: Ich kenne diese Diskussionen und die Entwicklungen auch schon aus dem Bereich von deutschen Fachakademien. Zum Beispiel für die Ausbildung zum:zur Buchbinder:in. Das hatte damals dazu geführt, dass die Universitäten sich von den Schulen nahezu das gesamte Know-how geholt hatten. Aber am Ende waren es promovierte und habilitierte Lehrkräfte aus den eigenen Reihen, die unterrichtet haben. Und von den ursprünglichen Schulen ist nichts mehr übriggeblieben. Also diese Vorstellung, dass man Lehrer:innen aus einer Schule unmittelbar in die Professur bekommen könnte, die entspricht nicht der der Realität unserer Hochschullandschaft.

Ein oft genanntes Argument für den Erhalt der Berufsschulausbildung für Heilmittelberufe ist die Berücksichtigung von Menschen mit mittlerem Schulabschluss. Laut des Bündnisses „Therapieberufe an die Hochschulen“ hätten aber – je nach Fachrichtung – 60 bis 90 Prozent der Azubis eh bereits Abitur. Wieso also der gezwungene Erhalt der mittleren Reife als mögliche Ausbildungsvoraussetzung?

Bernd Dietrich: Ich weiß nicht, was es mit dieser Zahl auf sich hat. Was ich sagen kann, ist, dass circa 60 Prozent unserer Auszubildenden mittlere Reife haben. Und es gibt ja auch noch Ausbildungen ganz ohne Mittlere Reife, zum Beispiel Masseur:innen. Die steigen fast alle mit einem Hauptschulabschluss ein. Wenn diese Menschen ihre Zugangsberechtigung verlieren sollten, würden wir über Nacht eine riesige Summe von Schüler:innen verlieren. Menschen, die ihre Arbeit gut machen, die nachgefragt sind, die einen tollen Job machen, die echte Profis sind, würden wir einfach, mangels Zugangsmöglichkeit verlieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

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