Interview Isabella Hotz (HochschuleJetzt!)
Heilmittel

Isabella Hotz (HochschuleJetzt!): „Man spürt den Unterschied, ob man akademisiert ist“

Wir sprachen mit der Physiotherapeutin Isabella Hotz über das Studierenden-Netzwerk „HochschuleJetzt!“.

Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie sollen ausschließlich hochschulisch gelehrt werden – das fordern die Verfechter der Vollakademisierung. Neben einzelnen Berufsverbänden sowie Hochschulvertretern (beispielsweise Prof. Dr. Bernhard Borgetto vom Bündnis „Therapieberufe an die Hochschulen“) sind es auch die Auszubildenden selbst, die zu dem Thema die Stimme ergeben. So auch die Menschen hinter das Netzwerk HochschuleJetzt!, einer 2021 gegründeten Interessensvertretung aus Studierenden der Studiengänge Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie.

Mit dabei ist Isabella Hotz, studierte Physiotherapeutin (Bachelor) und Therapiewissenschaftlerin (Master). Seit ihrem Abschluss im Oktober 2021 arbeitet sie im österreichischen Tirol zur Hälfte als angestellte Physiotherapeutin und zur Hälfte als wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Forschungszentrum einer Rehaklinik. Wir sprachen mit ihr über die Beweggründe von „HochschuleJetzt!“.

Isabella, warum gibt es das Netzwerk „HochschuleJetzt!“?

Isabella Hotz: Was uns alle im Netzwerk verbindet, ist der Frust darüber, dass es in der ganzen Ausbildungslandschaft der Therapieberufe so immense Unterschiede gibt. Die Idee hinter dem Netzwerk ist, dass wir uns als Studierende quasi deutschlandweit vernetzen somit als gebündeltes Sprachrohr auftreten können. Als Stimme der Studierenden im Prozess der Akademisierung, um so halt unseren Standpunkt berufspolitisch vertreten zu können.

Welche Vorteile seht ihr denn in der Hochschulausbildung von Therapieberufen verglichen zur Berufsfachschulausbildung?

Isabella Hotz: Zum einen ist da die interprofessionelle Zusammenarbeit. Beispielsweise an meiner Hochschule hatten wir gemeinsame Unterrichtsfächer mit Ergotherapeut:innen. Wir haben so schon von Grund auf die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen gelernt. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Abschluss einfach dem europäischen Qualifikationsrahmen entspricht, das heißt, dass das Ausbildungsniveau dann in allen europäischen Ländern als Bachelor- bzw. Masterabschluss anerkannt wird.

Was spricht noch für die Hochschulausbildung?

Isabella Hotz: Ein Problem ist doch, dass es alleine in Deutschland – teilweise in selben Bundesländern – keine gleichen Standards für die Ausbildung gibt. Interessent:innen für Medizin hingegen bewerben sich in einem Bewerbungsverfahren bundesweit auf das Studium, mit einheitlichen Standards. Und so sollte es auch für die Therapieberufe möglich sein. Dass alle, die den Beruf gelernt haben, auf dem gleichen Niveau die Ausbildung beenden. Aus Patient:innensicht sollte es keine Frage des Glücks sein, ob man von jemanden mit einem guten oder nicht so guten Ausbildungsniveau behandelt wird. Es ist also auch im Interesse der Patient:innen, dass alle Therapeut:innen die gleiche Ausbildung genossen haben und dass die gleichen Standards in den Ausbildungen gelten.

Die Reform und Verbesserung der Berufsfachschulausbildung der Therapieberufe wird ja selbst von Verfechter:innen der Teilakademisierung gefordert. Warum aber ausgerechnet die einheitliche Ausbildung per Hochschule?

Isabella Hotz: Die Hochschulausbildung hat halt den zusätzlichen Faktor, dass man die wissenschaftliche Arbeit erlernt. In unserem immer komplexer werdenden Gesundheitssystem braucht es einfach andere Kompetenzen als früher. In der Praxis brauchen wir reflektierte Praktiker:innen, die wissenschaftlich arbeiten können und so ihr Wissen immer wieder auf den neuesten Stand bringen und auch in der Lage sind, das quasi immer wieder wissenschaftlich zu fundieren. Und sich mit anderen adäquat austauschen können. Außerdem spürt man, dass man mit einem akademischen Grad einfach anders angeschaut wird als mit einem Berufsschulabschluss.

Was genau meinst Du damit, dass man mit einem akademischen Grad anders angeschaut wird?

Isabella Hotz: Von Patientenseite werde ich regelmäßig gefragt, ob ich denn gern massiere. Ich wurde auch schon mal als „Massiermaus“ bezeichnet. Oder bei Ergotherapeut:innen heißt es gelegentlich, dass deren Arbeit ja nur aus „mit Kindern zusammen kneten“ bestehen würde. Studierte Architekt:innen werden ja auch nicht gefragt, ob sie gerne Häuser aus Bauklötzchen bauen. Man spürt den Unterschied, ob man akademisiert ist oder nicht. Wenn da ein Bachelor of Science auf dem Namensschild steht. Man wird dann in der Regel nicht auf einen einzelnen winzigen Teil der Ausbildung – wie z. B. das Massieren – heruntergebrochen.

Wenn wir mal vom dem wichtigen Thema Wertschätzung absehen: Befürworter:innen der Teilakademisierung sind der Meinung, dass der Bedarf an akademisch ausgebildeten Therapeut:innen eher gering ist. Dass vielleicht sogar nur 10–20 Prozent Akademiker:innen im Praxisalltag benötigt werden …

Isabella Hotz: Aber ist nicht das oberste Ziel im Gesundheitswesen, dass die bestmögliche Versorgung aller Patient:innen gewährleistet ist? Die kann ich ja nur dann gewährleisten, wenn alle Therapeut:innen dazu in der Lage sind, ihr eigenes Handeln stetig kritisch zu reflektieren und Therapieerfolge zu evaluieren und in die Praxis einzubeziehen. Nur dann kann ich bestmögliche Versorgung garantieren. Das sollten 100 Prozent der Therapeut:innen können, nicht bloß 20 Prozent.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass das „Mehr“, das die hochschulische Therapeut:innenausbildung euch bietet, sich am Ende gar nicht finanziell niederschlägt? Dass die Kassen dieses „Mehr“ nicht ausreichend honorieren können oder gar wollen?

Isabella Hotz: Es ist in vielen Einrichtungen leider die Realität, dass man dafür nicht entsprechend honoriert wird. Ein weiteres Indiz der geringen Wertschätzung. Therapeut:innen werden eher „mittelprächtig“ bezahlt – obwohl man ja wirklich einen wichtigen Teil zur Versorgung der Gesellschaft beiträgt. Einer der Gründe für den Fachkräftemangel und die hohe Berufsflucht. Dieses „Mehr“ wird in vielen Praxiseinrichtungen einfach nicht honoriert. Und das ist schade. Deshalb ist für uns die Akademisierung eigentlich der einzig sinnvolle Weg. Und dass dadurch auch die Sätze steigen und dass die Therapieberufe im Gesundheitssektor einfach entsprechend honoriert werden.

Gerne wird kritisiert, dass Hochschulabsolvent:innen in den Therapieberufen nicht die Praxiserfahrung mitbrächten wie berufsfachschulisch ausgebildete Therapeut:innen.

Isabella Hotz: Dem kann ich nicht zustimmen. Denn der Praxisanteil beträgt in beiden Ausbildungswegen dieselbe Stundenzahl. Es sind 1.600 Ausbildungsstunden an der:dem Patient:in – egal, ob im Studium oder über eine klassische Berufsausbildung. Der nennenswerte Unterschied ist eher der, dass die Unterrichtszeit der praktischen Fächer an der Hochschule geringer ist und von den Studierenden mehr erwartet wird, das Wissen im Selbststudium zu erlernen. Die praktische Ausbildung an der:dem Patient:in ist aber in der Stundenanzahl identisch.

Wie genau kommen diese Praxisstunden an den Patient:innen zustande? Wie läuft so etwas im Studium ab?

Isabella Hotz: Man muss verschiedene Stellen durchlaufen – beispielsweise im Krankenhaus, in der Reha oder in einer Praxis – und wird dort von einer:einem ausgebildeten Therapeut:in angeleitet.

Vielen Dank für das Gespräch, Isabella.

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