Isabella, warum gibt es das Netzwerk „HochschuleJetzt!“?
Isabella Hotz: Was uns alle im Netzwerk verbindet, ist der Frust darüber, dass es in der ganzen Ausbildungslandschaft der Therapieberufe so immense Unterschiede gibt. Die Idee hinter dem Netzwerk ist, dass wir uns als Studierende quasi deutschlandweit vernetzen somit als gebündeltes Sprachrohr auftreten können. Als Stimme der Studierenden im Prozess der Akademisierung, um so halt unseren Standpunkt berufspolitisch vertreten zu können.
Welche Vorteile seht ihr denn in der Hochschulausbildung von Therapieberufen verglichen zur Berufsfachschulausbildung?
Isabella Hotz: Zum einen ist da die interprofessionelle Zusammenarbeit. Beispielsweise an meiner Hochschule hatten wir gemeinsame Unterrichtsfächer mit Ergotherapeut:innen. Wir haben so schon von Grund auf die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen gelernt. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Abschluss einfach dem europäischen Qualifikationsrahmen entspricht, das heißt, dass das Ausbildungsniveau dann in allen europäischen Ländern als Bachelor- bzw. Masterabschluss anerkannt wird.
Was spricht noch für die Hochschulausbildung?
Isabella Hotz: Ein Problem ist doch, dass es alleine in Deutschland – teilweise in selben Bundesländern – keine gleichen Standards für die Ausbildung gibt. Interessent:innen für Medizin hingegen bewerben sich in einem Bewerbungsverfahren bundesweit auf das Studium, mit einheitlichen Standards. Und so sollte es auch für die Therapieberufe möglich sein. Dass alle, die den Beruf gelernt haben, auf dem gleichen Niveau die Ausbildung beenden. Aus Patient:innensicht sollte es keine Frage des Glücks sein, ob man von jemanden mit einem guten oder nicht so guten Ausbildungsniveau behandelt wird. Es ist also auch im Interesse der Patient:innen, dass alle Therapeut:innen die gleiche Ausbildung genossen haben und dass die gleichen Standards in den Ausbildungen gelten.
Die Reform und Verbesserung der Berufsfachschulausbildung der Therapieberufe wird ja selbst von Verfechter:innen der Teilakademisierung gefordert. Warum aber ausgerechnet die einheitliche Ausbildung per Hochschule?
Isabella Hotz: Die Hochschulausbildung hat halt den zusätzlichen Faktor, dass man die wissenschaftliche Arbeit erlernt. In unserem immer komplexer werdenden Gesundheitssystem braucht es einfach andere Kompetenzen als früher. In der Praxis brauchen wir reflektierte Praktiker:innen, die wissenschaftlich arbeiten können und so ihr Wissen immer wieder auf den neuesten Stand bringen und auch in der Lage sind, das quasi immer wieder wissenschaftlich zu fundieren. Und sich mit anderen adäquat austauschen können. Außerdem spürt man, dass man mit einem akademischen Grad einfach anders angeschaut wird als mit einem Berufsschulabschluss.
Was genau meinst Du damit, dass man mit einem akademischen Grad anders angeschaut wird?
Isabella Hotz: Von Patientenseite werde ich regelmäßig gefragt, ob ich denn gern massiere. Ich wurde auch schon mal als „Massiermaus“ bezeichnet. Oder bei Ergotherapeut:innen heißt es gelegentlich, dass deren Arbeit ja nur aus „mit Kindern zusammen kneten“ bestehen würde. Studierte Architekt:innen werden ja auch nicht gefragt, ob sie gerne Häuser aus Bauklötzchen bauen. Man spürt den Unterschied, ob man akademisiert ist oder nicht. Wenn da ein Bachelor of Science auf dem Namensschild steht. Man wird dann in der Regel nicht auf einen einzelnen winzigen Teil der Ausbildung – wie z. B. das Massieren – heruntergebrochen.
Wenn wir mal vom dem wichtigen Thema Wertschätzung absehen: Befürworter:innen der Teilakademisierung sind der Meinung, dass der Bedarf an akademisch ausgebildeten Therapeut:innen eher gering ist. Dass vielleicht sogar nur 10–20 Prozent Akademiker:innen im Praxisalltag benötigt werden …
Isabella Hotz: Aber ist nicht das oberste Ziel im Gesundheitswesen, dass die bestmögliche Versorgung aller Patient:innen gewährleistet ist? Die kann ich ja nur dann gewährleisten, wenn alle Therapeut:innen dazu in der Lage sind, ihr eigenes Handeln stetig kritisch zu reflektieren und Therapieerfolge zu evaluieren und in die Praxis einzubeziehen. Nur dann kann ich bestmögliche Versorgung garantieren. Das sollten 100 Prozent der Therapeut:innen können, nicht bloß 20 Prozent.