Ob Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie: Den Heilmittelberufen geht es nicht viel besser als den meisten anderen Bereichen im deutschen Gesundheitswesen. Vor allem scheint die Heilmittelbranche nicht die Anreize zu liefern, die viele dazu motivieren, sich beruflich in diese Richtung aufzustellen. Oder besteht sogar die Gefahr, dass bereits tätige Therapeuten nach mehreren Jahren der Arbeit abwandern?
So oder so, die Zahlen sind alarmierend: Für 2019 diagnostiziert der Deutsche Verband für Physiotherapie (ZVK) auf Basis von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für 14 der 16 Bundesländer Fachkräftemangel im Bereich Physiotherapie. Lediglich in Hamburg besteht kein Mangel an Physiotherapeut:innen (während in Bremen aufgrund zu weniger Daten keine Beurteilung vorgenommen werden kann). Zum Vergleich: Drei Jahre zuvor waren es noch 7 Bundesländer mit Fachkräftemangel.
Unter anderem ist der Fachkräftemangel für Physiotherapie auch in den Krankenhäusern zu spüren. Immerhin sind hier laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) nahezu 20.000 Physiotherapeut:innen beschäftigt. „Mittlerweile spüren die Krankenhäuser verstärkt den Fachkräftemangel und haben trotz großen Engagements erhebliche Probleme, offene Stellen im Bereich der Physiotherapie zu besetzen“, erklärt die DKG in einer Stellungnahme von August 2021. „Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Mangel aufgrund des demographischen Wandels in den kommenden Jahren noch verstärken wird, obwohl 108 Krankenhäuser insgesamt 6.986 Ausbildungsplätze für diesen Beruf anbieten. Aus diesem Grund ist es dringend erforderlich, die Attraktivität dieser Berufe zu steigern.“
Was sind die Gründe für den Fachkräftemangel in Therapieberufen?
Bei den anderen Heilmittelberufen sieht die Lage nicht rosiger aus. Auch hier besteht die Gefahr der Abwanderung aus dem Beruf. Doch woran liegt das? „Die Gründe für diese Entwicklung liegen unter anderem auch in der mangelnden Autonomie und der fehlenden beruflichen Perspektive“, so die Meinung des Bündnisses „Therapieberufe an die Hochschulen“ in einem FAQ von Juni 2021.
Nun gibt es aktuell bereits Maßnahmen, die die Autonomie der Heilmittelerbringer:innen erhöht. Beispielsweise bietet die Blankoverordnung Therapeut:innen mehr Selbstständigkeit, aber die fachliche Verantwortung obliegt weiterhin den verordnenden Ärzt:innen. Ein Manko, das unter anderem von der Präsidentin des Bundesverbands für Logopädie (dbl), Dagmar Karrasch angemahnt wird. „Zudem sorgt das auch für Unzufriedenheit unter den Kolleg:innen, wenn Kompetenzen, die in unserer Berufsgruppe vorhanden sind, nicht abgeholt werden“, sagt Karrasch im großen DMRZ.de-Interview. „Wir sehen leider immer wieder, dass Therapeut:innen ihren Beruf wechseln. Auch aufgrund der wirtschaftlichen und hierarchischen Rahmenbedingungen und der bisherigen Kompetenzverteilung. Wenn ich Leistungen erbringen könnte, die meinen Patient:innen mehr nützen, aber ich sie in dieser Form nicht erbringen darf, weil das einfach nicht vorgesehen ist.“