Als Startzeitpunkt wurde 2021 angepeilt, mit der damaligen Vision, dass dann die Modellphase endete und in eine reguläre Studienform überging. Schließlich wurden die Modellstudiengänge doch ein weiteres Mal verlängert, so dass der nun der neue Gesetzgeber (Kabinett Scholz) die Aufgabe hat, bis Ende 2024 zu entscheiden, wie mit den Modellstudiengängen für Therapieberufe umzugehen sei.
Übrigens erklären HVG/VAST im Strategiepapier, dass die exakte Dauer des Transformationsprozesses bei jeder Berufsgruppe unterschiedlich ausfallen könnte. „Für die Logopäd:innen – eine kleine Berufsgruppe, die zahlenmäßig der der Hebammen entspricht und die zusammen mit den akademischen Sprachtherapeut:innen schon jetzt einen hohen Akademisierungsgrad aufweist, könnte die Umstellungszeit kürzer ausfallen als in der Physio- und Ergotherapie“, steht in dem Strategiepapier geschrieben.
Der genaue Bedarf an Studiengängen: Was alles geändert werden muss
Zum Zeitpunkt des Strategiepapiers gab es in Deutschland lediglich 30 primärqualifizierende Therapiestudiengänge pro Jahr. Um eine Vollakademisierung zu erreichen, müssten die Hochschulen eine Lücke von 12.864 schulischen Ausbildungsplätzen an 528 Berufsfachschulen schließen. Konkret seien das 260 Physiotherapieschulen, 188 Ergotherapieschulen und 80 Logopädieschulen (Stand 2018).
Immerhin hätten Hochschulen den Vorteil, dass pro Lehrkraft mehr Menschen unterrichtet werden können. In Hörsälen einer Hochschule nehmen mehr Studierende Platz (durchschnittlich 60 Plätze) als an den Tischen einer Berufsschulklasse (durchschnittlich 24 Plätze).
Auf Basis dieser Begebenheiten kalkulierten HVG und VAST: Neben den bestehenden Therapiestudiengängen werden noch 199 neu zu schaffende Studiengänge jährlich benötigt. In Deutschland wäre demnach etwa jeder fünfte Hochschulstandort mit einem Therapiestudiengang auszustatten. Da die meisten bisherigen Modellstudiengänge an privaten Hochschulen stattfinden würden, sprechen sich HVG und VAST in Übereinstimmung mit dem Wissenschaftsrat und der Hochschulrektorenkonferenz aus, dass vor allem mehr öffentliche sowie kirchliche Hochschulen die neuen Therapiestudiengänge anbieten sollten.
Insbesondere jene Bundesländer, in denen bisher noch keine primärqualifizierenden Therapiestudiengänge angeboten wurden, sollten verstärkt berücksichtigt werden. Vor allem seien das Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bremen und Rheinland-Pfalz. Das Gleiche gilt auch für Länder, die für ihre Einwohnerzahl aktuell relativ wenige Therapiestudiengänge anbieten würden (Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen).
Außerdem ließe sich laut des Strategiepapiers die Zahl der komplett neu zu schaffenden Studiengänge reduzieren, wenn auch Berufsakademien oder Duale Hochschulen für die neuen Studiengänge fit gemacht werden würden. Außerdem gibt es aktuell 75 ausbildungsintegrierende bzw. additive Studiengänge für Therapieberufe, die sich ebenfalls zu primärqualifizierenden Studiengängen ausbauen ließen.
Was würde aus Berufsfachschulen werden?
Im Strategiepapier wird auch genannt, was im Falle der Vollakademisierung aus den Berufsfachschulen, die bisher auf dem klassischen Weg ausbilden, geschehen wird. „Im Zuge der Verlagerung der Ausbildung auf die Hochschulen wäre ein Großteil der Schulen (schätzungsweise die Hälfte) zu schließen. Für diejenigen Schulen, die eine enge Kooperation mit den Hochschulen eingegangen sind oder in der Übergangszeit noch eingehen werden, kämen Fusionen mit Hochschulen oder Gründungen eigenständiger (Fach)Hochschule in Betracht. Einige private Träger haben diese Wege bereits beschritten.“ Auch gibt es für die Übergangszeit Ideen für „hybride“ Studiengänge, in denen die Ausbildungsinhalte an Berufsfachschulen von einer Hochschule bestimmt werden.
Um das Lehrpersonal für die zukünftige Vollakademisierung aufstocken zu können, würde es sich laut HVG/VAST anbieten, dass studierte Lehrende von Berufsfachschulen zu Hochschul-Lehrkräfte fortgebildet werden könnten. Für die nicht-akademisierten Lehrkräfte wären hingegen Anpassungsregelungen für die Zeit des Übergangs zu schaffen.
Die Voraussetzungen, die für eine Umstellung erfüllt sein müssten
Voraussetzung für den Start einer Vollakademisierung ist natürlich, dass diese in der Tat auch umgesetzt wird. Aktuell ist der Diskussion zu der Zukunft der Therapieberufe noch nicht abgeschlossen; die Entscheidung, dass es zu einer Teilakademisierung kommen könnte, ist nach wie vor denkbar.
Sollte die Wahl auf die Vollakademisierung fallen, müssten dann natürlich die Berufsgesetze und die zugehörigen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen entsprechend überarbeitet werden. Auch das Anrechnen von bisherigen Ausbildungsleistungen ist wichtig: „Ein weiterer in den Gesetzen zu berücksichtigender Punkt, der gerade auch in der Übergangszeit wichtig ist, ist die Durchlässigkeit zwischen dem schulischen und dem hochschulischen Bildungsweg“, steht im Strategiepapier geschrieben.
Eine der wohl wichtigsten Voraussetzungen für die Vollakademisierung ist es aber, dass die höhere Qualifikation der Therapeut:innen auch entsprechend der Ausbildung zum Nutzen der Patient:innen eingesetzt wird. Sprich: Die Therapieberufe an sich müssen reformiert werden. Und die Leistungen müssten dann auch angemessen vergütet werden.
Sollte es zur Vollakademisierung kommen, dann ist der Weg dorthin kein leichter. „Die Gründung von PQS erscheint als eine große Aufgabe“, urteilen HVG und VAST, „wenn man aber bedenkt, dass alle Beteiligten, Hochschulen, Schulen, Berufsverbände, diese Umstellung wünschen und sich tatkräftig daran beteiligen (wollen), dürfte die Erweiterungsaufgabe durchaus bewältigbar sein.“