Heilmittelpraxis gründen  - Rechtsfragen
Allgemein, Heilmittel

Heilmittelpraxis gründen (2): Die passende Rechtsform finden

Im zweiten Teil unserer Serie erklären wir Dir, wie Du die passende Rechtsform Deiner Heilmittelpraxis findest und welche Steuern anfallen werden.

Im ersten Teil unsere Serie "Heilmittelpraxis gründen" haben wir beschrieben, welche grundlegenden Gedanken Du Dir im Vorfeld einer Praxisgründung machen musst. Planst Du, eine Ergo- oder Physiotherapiepraxis, eine Praxis für Logopädie oder Podologie oder eine ganz andere Heilmittelpraxis zu eröffnen, solltest Du Dir auch schnell Gedanken zur passenden Rechtsform Deines Betriebs machen. Dieser Blogtext hilft Dir dabei.

Die Wahl der passenden Rechtsform ist zunächst davon abhängig, ob Du Deine Praxis alleine oder mit anderen zusammen betreibst. Während der eine Weg Dir die alleinige Entscheidungsmacht bietet, ermöglicht eine Gemeinschaftspraxis die Verteilung der Verantwortung auf mehreren Schultern. Mache Dir Gedanken über Haftung sowie steuerliche Gründe, die die Rechtsform beeinflussen.

Im Folgenden stellen wir Dir die wichtigsten Rechtsformen (sowie weiter alle relevanten Steuerformen) vor. Befass Dich schon früh mit der Rechtsform – und hinterfrage während der Gründungsphase immer wieder, ob die Wahl die richtige ist oder ob vielleicht doch ein andere Rechtsform sinnvoller ist. Ganz wichtig: Besprich alles mit einem*einer Steuerberater*in!

Selbständig in einer Einzelpraxis (Freiberufler*in)

Die wohl üblichste Form der Heilmittelpraxis ist die Einzelpraxis. Beispielsweise trifft das auf 82 Prozent der Physiotherapeut*innen zu (so hat es der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten IFK e. V. für 2016 ermittelt). Und die meisten führen ihre Praxis als Selbstständige.

  • Besonderheiten: Als selbstständige*r Heilmittelerbringer*in bist Du für alles verantwortlich, aber auch Dein eigener Chef. Selbstverständlich kannst Du auch als Selbstständige*r angestellte oder freie Mitarbeiter*innen beschäftigen.

  • Haftung: Beachte, dass Du als Freiberufler*innen mit Deinem gesamten Vermögen haftest. Eine rechtliche Trennung zwischen privatem und geschäftlichem Vermögen gibt es bei der Selbstständigkeit nicht.

  • Steuern: Heilmittelerbringer*innen gehören laut § 18 EStG (Einkommenssteuergesetz) den freien Berufen an. Du meldest deine Praxis beim Finanzamt an, bekommst eine Steuernummer und führst Einkommensteuer ab. Obwohl Du kein Gewerbetreibende*r bist und somit nicht der Gewerbesteuerpflicht unterliegst, kann es bei einem hohem Umsatz dennoch vorkommen, dass du Gewerbesteuer zahlen muss. Ähnliches gilt für die Umsatzsteuer. (Mehr zu den Steuerformen weiter unten.)

Eine Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist die üblichste Rechtsform, um sich mit mehreren beruflich zusammenzutun.

  • Besonderheiten: Es gibt nur wenige Vorgaben oder gesetzliche Verpflichtungen zur Gründung einer GbR. Ein Vertrag ist unter den Teilhaber*innen nicht notwendig – aber laut dem Magazin StartingUp definitiv empfohlen. Da eine GbR nirgendwo „eingetragen“ werden muss, müssen die Namen der Gesellschafter*innen im Praxisnamen angegeben werden.

  • Haftung: Wie bei der Selbstständigkeit / Einzelpraxis haftet man als Heilmittelerbringer*in auch bei einer GbR mit dem Privatvermögen. Alle Gesellschafter*innen haften für die Heilmittelpraxis gesamtschuldnerisch.

  • Steuern: Laut § 18 EStG sind Heilmittelerbringer*innen Freiberufler*in – egal, ob man eine Einzel- oder Gemeinschaftspraxis hat. Ihr meldet Euch also beim Finanzamt und zahlt Einkommenssteuer. Beachte aber, dass die gesamte GbR ihren Status als Freiberufler*in verliert, wenn nur einer der Inhaber*innen keinem „freiem Beruf“ nach § 18 EStG angehört. Übrigens: Je nach Gewinn kann ggf. auch Gewerbesteuer anfallen und/oder es kann eine Umsatzsteuerpflicht bestehen.

Eine Gemeinschaftspraxis als Partnerschaftsgesellschaft (PartG)

Speziell für Freiberufler*innen besteht die Möglichkeit, alternativ zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine sogenannte Partnerschaftsgesellschaft (PartG oder PG) zu gründen.

  • Besonderheiten: Die Partnerschaftsgesellschaft ist sehr ähnlich wie eine GbR. Im Gegensatz zu einer GbR ist bei einer PartG die Haftung beschränkt. Beachte, dass eine Partnerschaftsgesellschaft im örtlichen Amtsgericht eingetragen werden muss.

  • Haftung: Bei einer PartG haftet Ihr nicht gesamtschuldnerisch, sondern nur für die Aufträge, die jede*r von Euch zu verantworten hat. Das ermöglicht in einer Gemeinschaftspraxen möglicherweise eine gewisse Sicherheit. Bedenkt aber, dass auch hier wie bei einer GbR mit dem Privatvermögen gehaftet wird.

  • Steuern: Sind alle Inhaber*innen nach § 18 EStG Freiberufler*innen (z. B. indem alle als Heilmittelerbringer*innen tätig sind), dann zahlt jede*r von Euch Einkommenssteuer. Sollte aber nur eine*r von Euch keinem „freiem Beruf“ nachgehen, dann verliert Ihr alle euren Status als Freiberufler*in (also vergleichbar mit der GbR). Außerdem: Je nach Gewinn können ggf. auch Gewerbesteuer anfallen und/oder es kann eine Umsatzsteuerpflicht bestehen.

Mehrere Selbstständige in einer Praxisgemeinschaft

Eine Praxisgemeinschaft ist eine Kooperation von mehreren Einzelpraxen. (Verwechsel die "Praxisgemeinschaft" nicht mit der ähnlich klingenden "Gemeinschaftspraxis" – z. B. einer PartG oder GbR)

  • Besonderheiten: Laut dem Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten IFK e. V. ist die sogenannte Praxisgemeinschaft die einfachste Form, um mit mehreren Leistungserbringer*innen zusammenzuarbeiten. Zugleich wäre eine Praxisgemeinschaft mit den geringsten juristischen Konsequenzen verbunden. Denn jede*r Heilmittelerbringer*in ist hier komplett für sich selbst verantwortlich. Jeder von Euch hat ein eigenes Institutionskennzeichen und eine eigene Kassenzulassung. Die Praxisräume, die Einrichtung sowie mögliche Mitarbeiter*innen werden aber gemeinsam getragen und genutzt.

  • Haftung: Jede*r Heilmittelerbringer*in haftet in seinem*ihrem Tätigkeitsbereich mit dem Privatvermögen.

  • Steuern: Hier gelten dieselben Regeln wie bei einem*einer selbstständigen Heilmittelerbringer*in in einer Einzelpraxis. Du meldest deine Tätigkeit beim Finanzamt an, erhältst eine Steuernummer und führst Einkommenssteuer ab. Obwohl Du kein Gewerbetreibende*r bist und somit nicht der Gewerbesteuerpflicht unterliegst, kann es bei einem hohem Umsatz dennoch vorkommen, dass du Gewerbesteuer zahlen muss. Auch kann bei einem hohen Umsatz eine Umsatzsteuerpflicht bestehen.

GmbH oder UG (haftungsbeschränkt): Die Praxis als Kapitalgesellschaft

Unabhängig davon, ob Du eine Einzel- oder Gemeinschaftspraxis hast, ist es auch denkbar, die Heilmittelpraxis als Kapitalgesellschaft zu führen. Die gängigsten Formen sind die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt).

  • Besonderheiten: Die Entscheidung, ein Unternehmen als GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) zu eröffnen, hat oft steuerliche Gründe. (Lass Dich hierzu ausführlich beraten.) Auch hinsichtlich der Haftung ist eine Kapitalgesellschaft ggf. sinnvoll. Beachte, dass die Gründung einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) notariell beglaubigt und im Handelsregister eingetragen werden muss. Zudem musst du Deine Praxis im Gewerbeamt anmelden.

  • Haftung: Im Gegensatz zu einem Selbstständigen oder einer GbR haftest du als Inhaber*in nicht mit deinem Privatvermögen. Beachte aber: Wenn Du deinen Pflichten als gesellschaftliche Geschäftsführer*in nicht nachgehst oder dem Betrieb bewusst schadest, kannst Du durchaus auch privat für mögliche Schäden haften.

  • Steuern: Eine Kapitalgesellschaft unterliegt grundsätzlich der Gewerbesteuerpflicht. Je nach Gewinn muss möglicherweise auch Körperschaftssteuer gezahlt werden. Für gesellschaftliche Geschäftsführer*innen fällt übrigens – im Gegensatz zu den Freiberufler*innen – keine Einkommensteuer an: Du bist bei deiner Heilmittelpraxis „angestellt“ und erhältst entsprechend Lohn, von dem wie bei jedem*jeder Angestellten Lohnsteuer abgezogen wird.

 

Ein kleiner Überblick über die verschiedenen Steuern

So viele Steuerformen – da verliert man schnell den Überblick. Wir stellen in Kürze alle für Heilmittelpraxen relevanten Steuerformen vor.

Einkommenssteuer: Heilmittelerbringer*innen gehören zu den „freien Berufen“ und zahlen in der Regel Einkommenssteuer – egal, ob sie alleine arbeiten oder eine Gemeinschaftspraxis haben. Lediglich im Fall einer Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH) fällt für Dich keine Einkommensteuer an.

Lohnsteuer: Lohnsteuer muss jeder Angestellte seiner Heilmittelpraxis zahlen. Ist Deine Praxis eine GmbH oder UG (haftungsbeschränkt), dann musst Du ebenfalls Lohnsteuer zahlen.

Gewerbesteuer: Heilmittelerbringer*innen haben einen Gewebesteuerfreibetrag. Fallen aber laut dem Finanzsoftwareanbieter Sage ausreichend Gewinne durch durch den gewerblichen Verkauf von rezeptfreien Produkten (wie z. B. Salben oder Bandagen) an, muss Gewerbesteuer gezahlt werden. Der Freibetrag liegt laut Sage bei 24.400 Euro. 
Bei einer GmbH oder einer UG (haftungsbeschränkt) gilt grundsätzlich eine Gewerbesteuerpflicht.

Körperschaftssteuer: Kapitalgesellschaften wie eine GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) müssen neben der Gewerbesteuer auch Körperschaftssteuer abführen. Der große Unterschied zur Gewerbesteuer: Während die Gewerbesteuer an die Kommune gezahlt wird, geht die Körperschaftssteuer an den Bund und die Bundesländer.

Umsatzsteuer: Die Umsatzsteuer (USt) ist gleichbedeutend mit der Mehrwertsteuer. „Umsatz“ fällt bei einer Heilmittelpraxis nicht durch Kassenleistungen an, sondern nur bei rezeptfreien Privatleistungen oder Produkten wie Salben oder Bandagen. Auch Behandlungen im Anschluss/Nachgang zu einer ärztlichen Verordnung wären laut dem Existenzgründungsportal des Bundeswirtschaftsministeriums seit 2012 umsatzsteuerpflichtig. Eine Umsatzsteuerpflicht gibt es für Dich im Gründungsjahr übrigens nur, wenn Du umsatzsteuerpflichtige Einnahmen in Höhe von 22.000 Euro oder mehr haben wirst. Ansonsten fällst Du unter die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG (Umsatzsteuergesetz).

 

Die Umsatzsteuer als Vorsteuer

Bei Kassenleistungen gibt es keine Umsatzsteuer. Aber auf bestimmte Umsätze (beispielsweise rezeptfreie Produkte/Leistungen oder Privatleistungen) kann möglicherweise Umsatzsteuer erhoben werden.

  • Fallen in Deiner/Eurer Praxis nur geringe Umsätze (durch rezeptfreie Produkte/Leistungen oder Privatleistungen) an, fällt die Praxis unter die Kleinunternehmerregelung. Das bedeutet: Du stellt auf deinen Rechnungen keine Umsatzsteuer (USt) aus. Bei Betriebsausgaben zahlst Du dann aber – wie jede Privatperson – Mehrwertsteuer (= Umsatzsteuer).

  • Ist dein umsatzsteuerrelevanter Umsatz so hoch, dass du der Umsatzsteuerpflicht unterliegst (also im ersten Gründungsjahr voraussichtlich über 22.000 Euro), holst du die gezahlte USt/MWSt in Form der sogenannten „Vorsteuer“ vom Finanzamt zurück. Auch stellst du bei rezeptfreien Privatleistungen oder Produkten wie Salben oder Bandagen auf Deinen Rechnungen ebenfalls die Umsatzsteuer aus.

Für Kleinunternehmer besteht die Möglichkeit, auf die Kleinunternehmerregelung freiwillig zu verzichten. Das ist z. B. dann sinnvoll, falls Du schon von Anfang an, die Vorsteuer vom Finanzamt zurückholen möchtest. Beispielsweise dann, wenn du hohe Investitionskosten hast und die 19 Prozent Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer bei teuer gekauften Büromöbeln oder therapeutischen Geräten vom Finanzamt als Vorsteuer geltend machen möchtest. Spreche darüber mit Deinem Steuerberater.

 

Sind die ersten Planungen zur Rechtsform geklärt, solltest Du möglichst früh eine Marktanalyse und Standortanalyse machen. Warum das wichtig ist und worauf du achten musst, erfährst du im nächsten Teil unserer Blogserie zur Praxisgründung.

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