Das was die Videotherapie/-behandlung für Heilmittelerbringer ist, ist für Ärzte die Videosprechstunde. Alles zusammen ist Teil der Telemedizin. Während telemedizinische Leistungen im Bereich Heilmittel gerade erst aufkommen, gibt es Videosprechstunden in Deutschland schon ein wenig länger – aber auch hier ging und geht die Digitalisierung schleppend voran.
Seit 2010 wird auf jedem Ärztetag immer wieder das Thema Telemedizin befürwortet. Laut dem Ärzteblatt (herausgegeben von der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung) rief Jens Spahn 2018 die deutschen Ärzte dazu auf, Rahmenbedingungen für Sicherheit und Datenschutz zu gestalten. Die Digitalisierung ist im Ausland meist weiter fortgeschritten als in Deutschland. Videosprechstunden und -behandlungen sind anderorts keine Seltenheit mehr: Das in London ansässige Internetportal DrEd zum Beispiel hätte nach eigenen Angaben, so das Ärzteblatt, seit dem Start im Jahr 2011 bis Ende 2017 insgesamt 400.000 deutsche Patienten telemedizinisch betreut, davon allein die Hälfte 2017. Und das telemedizinische Zentrum Medgate in Basel würde ärztliche Beratung per Chat und Video anbieten und berichte inzwischen von mehr als zwölf Millionen Anrufen jährlich. Die Angst war groß, dass zum einen ausländische Leistungserbringer deutsche Patienten „abwerben“ und dass zum anderen die großen IT-Konzerne im Ausland – wie z. B. Google und Apple – die technischen Standards für die Telemedizin setzen könnten.
Obwohl allen bewusst war, wie dringend die Digitalisierung von Sprechstunden und Behandlungen ist, kam Skepsis auf. „Wir wissen, dass 85 Prozent der Arzt-Patienten-Kommunikation nonverbal sind und nur 15 Prozent verbal“, zitierte das Ärzteblatt 2018 den Dermatologen Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft. „Wenn ich das zugrunde lege, dann kann ich zu keinem Zeitpunkt und unter keinen Umständen davon ausgehen, dass eine Fernbehandlung die gleiche Qualität haben kann wie eine persönliche Behandlung.“ Befürchtet wurde, dass der Goldstandard – also die gängige, anerkannte Versorgung der Patienten – verlassen werden würde. So wurde z. B. debattiert, ob die ausschließliche Fernbehandlung von Patienten gestattet werden soll.
Die Videosprechstunde hat sich bereits bei den Ärztinnen und Ärzten Deutschlands etabliert. Die (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (kurz: MBO-Ä) von 2018 sagt unter §7 Abs. 4: „Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.“ Es verwundert also nicht, dass Videobehandlungen nun auch konstanten Einzug in die Heilmittelpraxen erhalten werden.