Videotherapie ist viel mehr als eine Notlösung
Allgemein, Heilmittel

Interview mit Linda Kieser: „Die Videotherapie ist viel mehr als eine Notlösung“

Im DMRZ.de-Interview sprechen wir mit der Logopädin Linda Kieser über ihre Erfahrung mit der Videobehandlung und welche Vorzüge diese bietet.

Die Videobehandlung hat sich in der Pandemie bei vielen Heilmittelerbringer*innen fest etabliert. Doch bis dahin war es ein langer Weg – und fest etabliert in die Heilmittel-Richtlinie hat sich die Videotherapie bisher auch noch nicht. Doch wie wird sie derzeit angenommen? Wir sprechen darüber mit der Logopädin und DMRZ.de-Kundin Linda Kieser aus Steppach bei Augsburg.

Linda, kannst Du Dich noch an Deine ersten Videobehandlungen erinnern? Was waren damals die Schwierigkeiten?

Linda Kieser: Anfangs war ich vor allem damit beschäftigt, herauszufinden, welches Tool den Datenschutzrichtlinien entspricht, ohne dabei aber keine zu hohen Kosten zu verursachen. Im nächsten Schritt war es eine Herausforderung, dass bei Patient*innen auch die Technik richtig funktioniert. Manche hatten anfangs noch die bekannten Tücken – wie ein ausgeschaltetes Mikrophon oder eine verdeckte Kamera. Und für Kinder ist es oft eine Herausforderung, sich so zu positionieren, dass ich sie auch sehen kann. Aber diese Tücken waren schnell behoben – in den letzten Monaten haben wir ja alle zu dieser teilweise neuen Kommunikationsform viel dazugelernt.

Bitte beschreibe einmal kurz, mit welcher Technik Du arbeitest.

Linda Kieser: Ein gängiger Laptop mit integrierter Webcam genügt mir in den meisten Fällen. Wenn die Tonqualität verbindungsbedingt mal nicht so gut ist, nutze ich auch Kopfhörer mit externem Mikrophon. Was meine Patient*innen angeht, ist natürlich ein Gerät mit einem möglichst großen Bildschirm die beste Wahl. Ein Smartphone finde ich nur in Ausnahmefällen geeignet. Für eine langfristige Lösung ist es nicht so zielführend. Aber ein Smartphone ist immer noch besser als gar keine Therapie.

Was sind für Dich die größten Vorzüge der Videobehandlung?

Linda Kieser: Besonders in der Therapie myofunktioneller Störungen finde ich es wunderbar, dass man den Kindern in Nahaufnahme zeigen kann, wie die Übungen gehen. Die Kinder haben dann über den Bildschirm auch die direkte Kontrolle über ihre eigene Durchführung. In einer Präsenzbehandlung ist ein so naher Vergleich nicht möglich. Bei einigen Kindern steigt die Aufmerksamkeit und Konzentration bei der Arbeit am Bildschirm sogar sehr stark an. Natürlich gibt es auch Kinder, bei denen das Gegenteil eintritt. In diesem Fall ist es wichtig, die Eltern in die Behandlung mit einzubeziehen. Durch das „Dabeisitzen“ lernen die Eltern auch sehr gut, wie sie ihre Kinder bei den Übungen unterstützen können.

Bei älteren Patient*innen ist vor allem der Wegfall des mühsamen Wegs in die Praxis ein Vorteil. Und Stimmpatient*innen haben ein direktes Übungsfeld, um ihre Stimme in einer Alltagssituation gesund zu gebrauchen – zum Beispiel in einer Videokonferenz, ohne unnötig laut werden zu müssen. Stotterpatient*innen hingegen können geübte Sprechtechniken in der oft herausfordernden Videosituation gut trainieren. Und Elterngespräche können ohne große Terminprobleme mit beiden Elternteilen stattfinden. Ein Babysitter ist dann auch nicht nötig. Ach, da gibt es so viele Vorteile!

Soll es die Videobehandlung aus Deiner Sicht auch nach der Pandemie geben?

Linda Kieser: Ich hoffe sehr, dass die Videobehandlung eine Möglichkeit bleiben wird. Vor allem in der Erkältungszeit könnten Patient*innen, die sich leicht erkälteten, Termine wahrnehmen. Familien ohne Auto könnten entlastet werden, und Patient*innen aus strukturschwachen Gegenden könnten viel leichter einen Therapieplatz finden. Je nach Fall könnte ich mir vorstellen, bis zu 50 Prozent der Therapieeinheiten über Video anzubieten. Der direkte Kontakt kann im therapeutischen Setting aus meiner Sicht zwar nie ganz wegfallen. Aber alles in allem ist die Videotherapie viel mehr als eine Notlösung.

Klar, der Datenschutz muss dabei natürlich gesichert sein und vielleicht braucht es dann auch technische Mindestvoraussetzungen. Ich könnte einerseits verstehen, wenn die Krankenkassen eine Maximalanzahl von Videotherapien pro Verordnung angeben würden, andererseits würde ich mir da als Therapeutin auch einen großen Spielraum wünschen. Denn wir als Behandelnde wissen ja eigentlich am besten, was für unsere Patient*innen hilfreich ist und was nicht.

Vielen Dank für das Interview.

 

Die Videobehandlung genau erklärt

Alle Informationen rund um die Videotherapie in Heilmittelpraxen findest Du in unserem umfassenden Online-Ratgeber. 

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