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Das seit 14. Juni geltende Widerrufsrecht für Pflegedienste und die Folgen

Düsseldorf, 10.3.2015: Wir fragten Herrn Dr. Hermann von der Anwaltskanzlei Terhaag und Partner zum Widerrufsrecht im Pflegebereich.

Seit dem 14. Juni 2014 haben Pflegekunden die Möglichkeit jeden Vertrag der zuhause, telefonisch oder über eine Pflegedienstseite z.B. über das Mailformular abgeschlossen wurde, zu widerrufen. In diesem Zusammenhang ist der Pflegedienst rechtlich gesehen dazu verpflichtet, auf dieses Widerrufsrecht hinzuweisen. 

Welche weiteren Konsequenzen mit diesem Widerrufsrecht für die Pflegedienste verbunden sind, haben wir Dr. Hermann von der Anwaltskanzlei Terhaag & Partner (www.aufrecht.de) gefragt.

Inwiefern sind Pflegedienste vom Widerrufsrecht betroffen?

Dr. Hermann: Das Widerrufsrecht ist Verbraucherrecht., da die Pflegeperson immer nur als Verbraucher handeln kann (Rechtsbeziehung Leistungserbringer-Pflegeperson).

Im neuen § 312 BGB ist der Anwendungsbereich des neuen Verbraucherrechts/Widerrufsrechts definiert. Danach gilt dieser für entgeltliche Verbraucherverträge. In § 312 Abs. III BGB wird der Anwendungsbereich auch auf folgende Verträge erstreckt: „über soziale Dienstleistungen, wie Kinderbetreuung oder Unterstützung von dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Familien oder Personen, einschließlich Langzeitpflege“.

In der Gesetzesbegründung zu § 312 III BGB wird wie folgt ausgeführt:

„Die Ausnahme betrifft soziale Dienstleistungen. Soziale Dienstleistungen unterliegen besonderen rechtlichen Anforderungen außerhalb des Bürgerlichen Rechts, so dass die in diesem Unterabschnitt genannten Informationspflichten grundsätzlich nicht passen. Zu den Sozialdienstleistungen gehören gemäß Erwägungsgrund 29 u. a. Dienstleistungen für besonders benachteiligte, schutzbedürftige oder einkommensschwache Personen. Hierunter fallen auch Dienstleistungen für Kinder und Jugendliche, zur Unterstützung von Familien, Alleinerziehenden, älteren Menschen und Migranten.

Erfasst sein können auch häusliche Pflegedienste und betreute Wohnformen und insbesondere auch Sozialdienstleistungen privater Anbieter. Allerdings ist es sachgerecht, dem Verbraucher bei im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht einzuräumen und daher die Information über das Widerrufsrecht zu verlangen.“

Damit können dann auch, je nach Ausgestaltung im Einzelfall, Pflegeverträge betroffen sein, das bedeutet, das Widerrufsrecht gilt, wenn:

  • wenn Verträge außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wurden.

  • wenn der Kunde von der Straße in die Geschäftsräume „gelockt“ wurde.

  • wenn der Vertrag über das Internet oder Telefon zustande gekommen ist.

  • abweichende Zusatzleistungen nachträglich in den Vertrag integriert werden.

In diesen Fällen muss der Pflegekunde i. S. des BGB über das Widerrufsrecht belehrt werden:

  • § 312d Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 246a § 1 Absatz 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch über die Pflicht zur Information über das Widerrufsrecht und

  • § 312g über das Widerrufsrecht.

Demnach sind auch Verträge betroffen, die per Fernabsatz oder außerhalb von geschlossenen Geschäftsräumen geschlossen werden. Früher nannte man dies die Haustürgeschäfte. In diesen Fällen muss der Pflegekunde i. S. des BGB über das Widerrufsrecht belehrt werden, also vergleichbar mit der allbekannten Situation, wenn man als Verbraucher etwas in einem Online-Shop einkauft.

Müssen Pflegedienste den Pflegebedürftigen ein Widerrufsformular zur Verfügung stellen? Die Besonderheit von Pflegediensten ist, dass diese auch oft Pflegebedürftige zu Hause aufsuchen, um den Pflegevertrag abzuschließen. Wären nur diese Verträge betroffen (Stichwort: Haustürgeschäft)?

Dr. Hermann:
Auf Grund der obigen Ausführungen gehe ich nach dem Gesetzeswortlaut davon aus, dass bei Fernabsatzgeschäften oder bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt werden muss. Da das Gesetz noch relativ neu ist, gibt es zu diesem Detailbereich noch keine Gerichtsentscheidungen. Die Gerichte haben sich in der Vergangenheit mehr mit dem Widerrufsrechts bei Online-Shops beschäftigt. Ich gehe davon aus, dass es bald auch Urteile zum Widerrufsrecht bei Pflegeverträgen geben wird. Manche Pflegedienste verwenden bereits Widerrufsbelehrungen und könnten daher konkurrierende Dienste abmahnen, die keine Widerrufsbelehrung verwenden. Spätestens dann müssen die Gerichte klären, ob das Widerrufsformular zur Verfügung gestellt werden muss.

Würde auch Handlungsbedarf bei Verträgen bestehen, die in den Räumlichkeiten des Pflegedienstes abgeschlossen werden?

Dr. Hermann: Es ist Sache des Einzelfalls, ob ein Haustürgeschäft vorliegt. Normalerweise sollte das nicht der Fall sein. Das Gesetz sieht allerdings einige Ausnahmen vor, wonach auch Verträge in den Räumen eines Unternehmens Haustürgeschäfte sein können. Insbesondere ist das der § 312b I Nr.3 BGB. Hier hat der Gesetzgeber vor allem die Kaffeefahrten und Werber in Fußgängerzonen im Blick gehabt, welche die Kunden auf der Straße ansprechen und dann zum Vertragsschluss in Geschäftsräume oder angemietete Landgasthöfe locken. Ich gehe davon aus, dass dies beim Abschluss der Pflegeverträge natürlich nicht so abläuft wie bei Straßenwerbern oder Kaffeefahrten. In aller Regel muss dann also kein Widerrufsrecht eingeräumt werden, es wird dann ein normaler Pflegevertrag vor Ort abgeschlossen.

Worin liegt die Problematik beim Widerrufsrecht?

Dr. Hermann:Das Thema Widerrufsrecht ist seit vielen Jahren Gegenstand vieler Gerichtsentscheidungen. Einerseits ist es aus meiner Sicht der Hauptangriffspunkt für Abmahnungen von Konkurrenten. Andererseits sind viele Pflichten gegenüber dem Verbraucher einzuhalten, die weitere Rechtsfolgen beinhalten. Werden diese nicht eingehalten oder richtig umgesetzt, verlängert sich die Widerrufsfrist bzw. es können sich Kostenfolgen ergeben. Sie haben sicherlich mitbekommen, was derzeit bei den Banken wegen falscher Widerrufsbelehrungen im Kreditbereich los ist. Da geht es um Rückzahlungen und Rückstellungen im Milliardenbereich. 

Daher sollten sich die Pflegedienste unbedingt um dieses Thema kümmern, um vor unliebsamen Überraschungen gefeit zu sein. Eine Abmahnung der Konkurrenz oder eine Rückabwicklung einer jahrelangen Pflegeleistung kann teuer werden. Wer sich die Gestaltung und Einbindung des Widerrufsrechts nicht selbst zutraut, sollte sich anwaltlich beraten lassen.

Vielen Dank für das informative Interview, Herr Dr. Hermann.
Dr. Hermann: Danke ebenso ;)

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