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In einem bisher einmaligen Vorgang haben sämtliche im Land Brandenburg aktiven Anbieter von Krankenfahrten zeitgleich zum Jahresende ihre Vergütungsvereinbarungen mit den Krankenkassen gekündigt. Der Grund: Steigende Kosten treffen auf Vergütungssätze, die längst nicht mehr kostendeckend sind. Für die Branche ist dieser kollektive Schritt ein Zeichen der Verzweiflung – und ein Weckruf an die Krankenkassen.
Geschlossene Front gegen nicht tragfähige Vergütung
Die Entscheidung, die Verträge zum Jahresende zu kündigen, fiel nicht leichtfertig. Dahinter stehen Monate und Jahre der Frustration. „Schon jetzt ist es nahezu unmöglich, Krankenfahrten kostendeckend zu organisieren“, sagte Andreas Kaczynski, Vorstand des Paritätischen Landesverbands Brandenburg, Anfang Oktober vor Journalisten in Potsdam. Die Anbieter – darunter große Wohlfahrtsverbände wie die Johanniter, der Arbeiter-Samariter-Bund sowie Krankentransportdienste und zahlreiche Taxiunternehmen – ziehen nun gemeinsam die Reißleine.
Der Grund für die geschlossene Kündigung liegt auf der Hand: Einzelne Anbieter hatten in der Vergangenheit keine Chance gegen die Verhandlungsmacht der Krankenkassen. „Wenn wir einzeln mit den Krankenkassen verhandelt haben, hat man uns suggeriert, dass alle anderen Anbieter mit den Konditionen klarkommen“, berichtet Matthias Rudolf, Regionalvorstand Südbrandenburg der Johanniter-Unfall-Hilfe. Jetzt zeigt sich: Niemand kommt mehr klar.
15,50 Euro für eine Krankenfahrt – Realität oder Illusion?
Ein Blick auf die aktuellen Vergütungssätze macht das Dilemma deutlich. Für eine Strecke von bis zu fünf Kilometern erhalten Anbieter derzeit:
Mit diesen Beträgen müssen viele Kosten gedeckt werden, die schnell übersehen werden. Beispielsweise um einen Patienten aus einem Obergeschoss mit einem Tragestuhl zu einem Fahrzeug zu bringen, sind mindestens zwei Mitarbeitende erforderlich. Hinzu kommen Fahrzeugkosten, Versicherungen, Verwaltungsaufwand und nicht zuletzt gestiegene Personalkosten durch Tariferhöhungen und den allgemeinen Fachkräftemangel.
„Die aktuellen Preismodelle sind fern der Realität“, bringt es Sven Meier, Geschäftsführer des ASB Lübben, laut des Deutschen Ärzteblatts auf den Punkt. Seine Forderung ist klar: Die Tarife für Krankenfahrten müssten um mindestens 30 % nach oben gehen. „Wenn man auch in der Fläche des Landes noch Krankenfahrten anbieten will, muss es nun Veränderungen geben.“
Krankenkassen sehen „routinemäßigen Ablauf“
Die Reaktion der Krankenkassen auf die Kündigungswelle fällt nüchtern aus. Volker Berg, Sprecher des Verbands der Ersatzkassen Berlin-Brandenburg, erklärte auf Anfrage dem Ärzteblatt, man stehe „selbstverständlich für Gespräche zur Verfügung“. Aus Sicht der Krankenkassenverbände handele es sich um einen „im Vertragsgeschäft üblichen Vorgang“ – einen „routinemäßigen Ablauf im Rahmen der regelmäßigen Vertragsverhandlungen zwischen den Vertragspartnern“.
Diese Einschätzung steht in deutlichem Kontrast zur Wahrnehmung der Anbieter. Für sie ist die aktuelle Situation alles andere als Routine. Es geht um die Existenz ihrer Unternehmen – und um die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die auf zuverlässige Krankenfahrten angewiesen sind.
Déjà-vu: Erinnerungen an 2024
Die aktuelle Situation erinnert an Ereignisse aus dem Januar 2024. Damals hatten brandenburgische Unternehmer bereits über das „Machtgehabe“ der Krankenkassen geklagt. Nach monatelangen Gesprächen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen wurden die neuen Entgelte zum Jahreswechsel 2023/2024 einseitig von den Kassen festgelegt – ohne finales Verhandlungsergebnis.
Die Unternehmen standen vor der Wahl: Unterschreiben oder aufgeben. Viele unterschrieben damals unter Druck, um ihre Existenz zu sichern. „Friss oder stirb“ – so beschrieb es Mike Kehrer, Vorstandsmitglied des Taxiverbands Berlin-Brandenburg und selbst Krankentransportunternehmer. Die Krankenkassen hätten ihre „Herrschafts- und Machtposition als Körperschaften des öffentlichen Rechts missbräuchlich ausgespielt“.
Dass die Unternehmen sich nun geschlossen zusammenschließen, ist die logische Konsequenz aus dieser Erfahrung. Nur gemeinsam haben sie eine Chance, auf Augenhöhe zu verhandeln.
Droht ein Versorgungskollaps?
Die Frage, die sich nun stellt: Was passiert, wenn keine Einigung zustande kommt? Wer transportiert dann die Patientinnen und Patienten zu Arztpraxen, Dialyse-Terminen oder Therapiesitzungen?
Die Anbieter betonen, dass sie „keine goldene Nase verdienen“ wollen – sondern lediglich eine auskömmliche Finanzierung benötigen. Ohne diese droht in der Fläche Brandenburgs tatsächlich ein Versorgungsengpass. Gerade in ländlichen Regionen, wo Wege weit und Patientenzahlen gering sind, rechnen sich Krankenfahrten schon heute kaum noch.
Die Probleme gibt es auch in anderen Bundesländern
Dass Brandenburg kein Einzelfall ist, zeigen aktuelle Entwicklungen in Hamburg und Berlin. Auch dort stehen Taxiunternehmen und Fahrdienste bei Krankenfahrten massiv unter Druck – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
In Hamburg etwa hat eine Tarifreform Anfang 2025 die Kosten für Krankenfahrten drastisch erhöht. Offiziell stiegen die Taxi-Tarife um 4,8 %, doch zur Rushhour – wenn die meisten Krankenfahrten stattfinden – beträgt die tatsächliche Steigerung 25 %. Der Grund: Die sogenannte Karenzminute wurde abgeschafft, das Taxameter läuft nun auch im Stop-and-Go-Verkehr weiter. Das Hamburger Taxiunternehmen Hansa-Taxi fordert daher 30 % mehr von den Krankenkassen – die jedoch nur die offiziellen 4,8 % zahlen wollen. Die Folge: Verträge sind bereits ausgelaufen, Patienten müssen in Vorleistung gehen.
Berlin versucht es mit einem anderen Ansatz: Seit dem Sommer vermittelt die Berliner Taxizentrale Krankenfahrten zu Festpreisen. Weder Stau noch Umleitungen ändern etwas am vereinbarten Preis – das soll für beide Seiten Planungssicherheit schaffen. Doch auch hier gibt es einen Haken: Wartezeiten und Zuschläge sind nicht abrechenbar. Für viele Fahrer bedeutet das trotz der Planungssicherheit geringere Einnahmen pro Fahrt.
Wie geht es weiter?
Die Kündigungen der Vergütungsvereinbarungen sind wirksam. Jetzt müssen neue Vereinbarungen ausgehandelt werden. Die Krankenkassen haben signalisiert, dass sie für Gespräche zur Verfügung stehen. Ob diese Verhandlungen zu einem tragfähigen Ergebnis führen, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
Fest steht: Ohne eine deutliche Anhebung der Vergütungssätze droht in Brandenburg ein Versorgungsengpass bei Krankenfahrten. Die Anbieter haben mit ihrer geschlossenen Kündigung ein klares Signal gesendet – und kämpfen damit stellvertretend für eine ganze Branche bundesweit. Denn die Probleme mit nicht kostendeckenden Vergütungen sind längst nicht auf Brandenburg beschränkt.
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