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Patricia Drube (DBfK): „Die KAP reicht nicht, um die Pflege zu retten“

Von 2018 bis 2021 taten sich drei Bundesministerien des Kabinetts Merkel IV zusammen, um die Arbeit in der Pflege zu verbessern. Bei dieser Konzertierten Aktion Pflege (KAP) waren auch die Bundesländer, Pflege-/Krankenkassen, Kirchen, Berufsgenossenschaften und verschiedenen Berufsverbände beteiligt. Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) machte mit.

Als im Sommer 2021 der zweite Umsetzungsberichts der KAP veröffentlicht wurde, waren viele der beschlossenen Maßnahmen bereits abgeschlossen. Aber einiges war noch offen. Wie verlief die weitere Umsetzung der KAP seit dem? Wir sprachen dazu mit Patricia Drube, Referentin für Langzeitpflege und Unternehmerinnen und Unternehmer beim DBfK Nordwest.

Frau Drube, wie ist der aktuelle Stand bei der Umsetzung der KAP?

Patricia Drube: Mit Gesetzesänderungen allein ist es nicht getan. Ich möchte dies am Beispiel des Strategieprozesses zur interprofessionellen Zusammenarbeit im Gesundheits- und Pflegebereich verdeutlichen. So wurde in § 64d SGB V geregelt, dass spätestens ab dem 1. Januar 2023 in jedem Bundesland mindestens ein Modellprojekt zur Heilkundeübertragung an Pflegefachpersonen durchgeführt werden muss. Der Rahmenvertrag, der alle grundlegende Umsetzungsfragen hierzu regelt, wurde von allen Beteiligten mit dreimonatiger Verspätung erst Ende Juni 2022 vereinbart. Allerdings berücksichtigte er nur Leistungserbringer gemäß dem SGB V, also ambulante Pflegedienste mit SGB-V-Vertrag, Arztpraxen und medizinische Versorgungszentren. Mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz wurden die Regelung immerhin auf stationäre Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI ausgeweitet. Der Rahmenvertrag sollte bis zum 31.12.2022 entsprechend angepasst werden.

Alles hat sich entsprechend verzögert und die Frist für den Start der Modellvorhaben wurde auf den 31.03.2023 verlängert. Fakt aber ist: Bisher ist nicht ein einziges Modellprojekt gestartet. In den Bundesländern gibt es lediglich offizielle Gespräche zu den Modellvorhaben, aber von einer Umsetzung ab dem 01.04.2023 sind wir weit entfernt.

Haben Sie noch ein weiteres Beispiel für uns?

Patricia Drube: Eine weitere Gesetzesänderung in Bezug auf den Strategieprozess ist die Ermächtigung von Pflegefachpersonen, Hilfsmittel zu verordnen. Dazu wurde der Absatz 6 in den § 40 des SGB XI eingefügt. Demnach dürfen Pflegefachpersonen Hilfsmittel verordnen, soweit die Kosten nicht von der Krankenversicherung zu tragen sind. Und hier liegt der Knackpunkt: Adaptionshilfen wie Anziehhilfen, Greifhilfen oder Ess-/Trinkhilfen oder Gehhilfen wie Rollatoren oder Gehwagen gehören nicht dazu – obwohl hier Pflegefachpersonen durchaus qualifiziert sind und eine zeitnahe Versorgung hohe Priorität haben dürfte.

Was an der KAP ist aber definitiv zu loben?

Patricia Drube: Hier haben drei Ministerien zusammengearbeitet. Damit wurde dokumentiert, dass das Thema Pflege nicht allein Thema des Gesundheitsministeriums ist. Neben Fragen der Sozialgesetzgebung geht es eben auch um Fragen der Ausbildung, der Daseinsvorsorge bezüglich alter, hilfebedürftiger Menschen und um Fragen der tarifgerechten Entlohnung.

Die Bundesministerien haben die Länder dahingehend in die Pflicht genommen, ihre Beiträge zu einer Verbesserung der Pflegesituation zu benennen. Das hat dafür gesorgt, dass sich zumindest einige Bundesländer damit beschäftigt haben, welchen Beitrag sie zu einer Verbesserung der Pflegesituation leisten können. Das personalkostenzentrierte Vergütungssystem in Niedersachsen ist ein Beispiel dafür. Es wurde im Rahmen der sogenannten konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen (KAP-NI) entwickelt. Die Umsetzung hat dafür gesorgt, dass zumindest ein großer Teil der ambulanten Pflegedienste im Bereich des SGB XI Vergütungserhöhungen in Relation zu den Personalkostensteigerungen vereinbaren konnten.

Können Sie zur KAP schon jetzt eine Bilanz ziehen?

Patricia Drube: Wir haben als DBfK immer gefordert, dass es eine Pflegewende braucht, einen Masterplan. Das ist mit der KAP definitiv nicht gelungen. In die KAP waren sehr viele unterschiedliche Akteure mit sehr heterogenen Interessenslagen eingebunden. In so einem Prozess werden zwangsläufig Kompromisse geschlossen. Und je mehr Akteure beteiligt sind, desto kleiner ist der kleinste gemeinsame Nenner.

Wir sagen ganz klar: Was bei der KAP herausgekommen ist, reicht nicht, um die Pflege zu retten. Am Ende sind es wieder eine Reihe von fragmentierten Einzelmaßnahmen, die in der Umsetzung aufwendig und im Effekt unbefriedigend sind.

Was muss bei einer zukünftigen Aktion, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, anders gemacht werden?

Patricia Drube: Als erstes muss klar sein: Es helfen keine kleinen „Reförmchen“ und die „Pflegewende“ braucht mehr als eine Legislaturperiode. Punkt eins ist also: Eine Reform der pflegerischen Versorgung ist eine Aufgabe von mehreren Jahrzehnten. Bei der Reform der Bundeswehr wird diese Zeitspanne immer wieder kommuniziert. Ich erwarte, dass sich ein Gesundheitsminister klar dazu bekennt, dass die Reform der Pflege – sowohl was den Beruf als auch was die Versorgung betrifft – eine Generationenaufgabe ist, mit der jetzt ganzherzig begonnen wird.

Was brauche wir? Wir brauchen Investitionen in eine gute pflegerische Grundausbildung – also neben ausreichend qualifiziertem Lehrpersonal auch Rahmenbedingungen, die eine gute Praxisanleitung ermöglichen. Die Einschätzungen und Entscheidungen von Pflegefachpersonen müssen im Sozialversicherungssystem anerkannt werden. Es kann nicht sein, dass jedes Mal der medizinische Dienst eingeschaltet wird, um zu prüfen, ob das, was Pflegefachpersonen feststellen oder verordnen, auch wirklich notwendig ist. Außerdem brauchen wir die Qualifizierung zur Heilkundeübertragung flächendeckend. Wir brauchen Privilegien für langjährig in der Pflege Beschäftigte wie eine Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, zusätzliche Rehabilitationsansprüche, einen höheren Urlaubsanspruch und eine Erhöhung der Rentenansprüche.

Parallel muss auch für Personen, die ihren Job aufgeben um Freunde oder Angehörige zu pflegen, ein voller Renten Anspruch bestehen. Die Rolle von Pflegefachpersonen in unserem Gesundheitssystem muss sich verändern hin zu mehr Kompetenzen zum Beispiel in der Wundversorgung und generell in der Hilfsmittelverordnung.

Außerdem brauchen wir mehr öffentliche Investitionen in Pflegeforschung. Dies würde helfen zu zeigen, dass eine Investition in gut qualifizierte Pflegefachpersonen die Gesundheit der Bevölkerung fördert.

Pflegefachpersonen sind eine Ressource in unserem Gesundheitssystem, die wir derzeit zubetonieren anstatt sie zu kultivieren.

Sind Ihnen denn Bestrebungen der aktuellen Bundesregierung bekannt, ein Nachfolge-Aktion – vergleichbar mit der KAP – zu starten?

Patricia Drube: Uns sind keine derartigen Pläne bekannt. Derzeit haben wir eher den Eindruck, dass von Seiten der Bundespolitik die Ergebnisse der KAP mit angezogener Handbremse weiterverfolgt werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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