diga nutzung im gesundheitswesen
Heilmittel, Telematikinfrastruktur

DiGA: Luft nach oben bei den Digitalen Gesundheitsanwendungen

Die Ergebnisse einer Umfrage der Stiftung Gesundheit zeigt: Die „App auf Rezept“ (DiGA) kommt zum Einsatz – aber aktuell eher schleppend.

Ende 2023 hat die Stiftung Gesundheit in ihrer Ad-hoc-Befragung „Im Fokus“ Ärzt:innen und andere Leistungserbringer:innen in Deutschland zum derzeitigen Einsatz von Digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA, befragt. Die unabhängige Stiftung führt jedes Quartal Befragungen zu aktuellen Trendthemen im deutschen Gesundheitssystem durch – und zuletzt standen die DiGA im Fokus. Was die repräsentative Umfrage unter anderem zeigt: Vor allem unter Logopäd:innen sind DiGA sehr beliebt. Fast jede:r zweite Logopäd:in nutzt mehr oder weniger oft die „Apps auf Rezept“.

Ärzt:innen, Heilmittel:erbringer und andere zum Einsatz von DiGA befragt

An der Umfrage haben im Dezember 2023 insgesamt 1.916 Ärzt:innen und 1.665 Heilberufler teilgenommen. Zu der letzten Gruppe wurden auch Therapeut:innen der anerkannten Heilmittelbereiche Logopädie, Physiotherapie und Ergotherapie befragt (Ernährungstherapie und Podologie blieben unberücksichtigt). Die folgende Tabelle zeigt, wie stark die jeweiligen Heilmittelerbringer:innen DiGA einsetzen.

  Physiotherapeut:innen Ergotherapeut:innen Logopäd:innen
Ja, sie sind integraler Bestandteil meiner Patientenversorgung. 1,8 % 1,0 % 3,1 %
Ja, setze ich häufiger ein. 2,4 % 4,1 % 7,1 %
Ja, aber eher selten. 10,8 % 20,6 % 35,4 %
Nein, denn es gibt keine sinnvolle App für meinen Bereich. 29,9 % 38,1 % 26,0 %
Nein, die Apps sind zwar grundsätzlich sinnvoll, aber aktuell überteuert. 24,0 % 18,6 % 17,3 %
Nein, davon halte ich grundsätzlich nichts. 31,1 % 17,5 % 11,0 %

Anders als im Bereich Logopädie schneiden die Physiotherapeut:innen hier am niedrigsten ab. Gerade einmal 15 Prozent nutzen DiGA selten oder gar öfters. Fast ein Drittel (31,1 Prozent) der Physiotherapeut:innen hält von den „Apps auf Rezept“ grundsätzlich nichts. Dabei besteht auch in der Physiotherapie Interesse an den DiGA, insbesondere in der Vorsorge sowie in der Therapieunterstützung. Das wurde zumindest auf die Frage, in welchem Bereich DiGA sinnvoll wären, angegeben. Vor allem an Apps, um individuelle Übungen für zuhause zusammenzustellen und die Patienten zu motivieren, hätten Physiotherapeut:innen laut Stiftung Gesundheit am meisten Bedarf. (Zusätzlich zu den Umfragen wurden auch Freitext-Antworten ausgewertet.)

  Physiotherapeut:innen Ergotherapeut:innen Logopäd:innen
in der Vorsorge / Prävention (einschließlich Bewegung, Ernährung, etc.) 56,2 % 38,0 % 18,8 %
zur Therapie/-unterstützung 45,0 % 57,0 % 75,0 %
zur Überwachung (z.B. Vitalparameter) 29,0 % 29,0 % 11,7 %
in der Nachsorge 31,4 % 25,0 % 28,1 %
in keinem 20,1 % 18,0 % 12,5 %

Für Ergotherapeut:innen lohnen sich DiGA vor allem in der Therapieunterstützung. Bedarf bestünde vor allem an DiGA, die die Patient:innen zuhause bei Hirnleistungstrainings unterstützen können. Oder Apps, die bei motorischen Übungen, etwa zur Verbesserung der Feinmotorik nach Handverletzungen, helfen.

Die Therapieunterstützung ist auch bei der Logopädie mit am meisten vertreten (75 Prozent). Genutzt oder gewünscht werden DiGA, mit denen sich in der Therapie vermittelte Fähigkeiten eigenständig weiter trainieren und festigen lassen. 28,1 Prozent wünschen sich zudem Apps für die Nachsorge.

Fehlende DiGA-Direktversorgung im Heilmittelbereich

Aus den Freitext-Antworten zitiert die Stiftung Gesundheit ein fundamentales Problem, das ein Physiotherapeut angegeben hat: „Ich würde mir wünschen, dass Therapeuten diese [Apps auf Rezept] verordnen könnten und nicht Ärzte, da hier der Weg zurück zum Arzt/Ärztin umständlich ist und vom Patienten nicht gegangen wird.“ Hier trifft man wieder auf das klassische Problem der fehlenden Direktversorgung für den Heilmittelbereich. Mit der Blankoverordnung, die nun für die Ergotherapie Realität wird, gibt es immerhin erste Lockerungen. Aber vom eigenverantwortlichen Verschreiben von DiGA für den jeweiligen Heilmittelbereich ist man hier immer noch meilenweit entfernt.

Überhaupt überrascht, dass DiGA auch bei den verordnenden Ärzt:innen so dürftig zum Einsatz kommen. Immerhin sind DiGA praktische Hilfsmittel, wenn es darum geht, Engpässe in der Versorgung zu überbrücken, überfüllte Wartezimmer zu vermeiden und der Unterversorgung in ländlichen Gebieten entgegenzuwirken. Doch die folgende Tabelle zeigt, wie gering DiGA bei den Ärzt:innen zum Einsatz kommen.

  Hausärzt:innen Fachärzt:innen Zahnärzt:innen Psychol. Psychotherapeut:innen
Ja, sie sind integraler Bestandteil meiner Patientenversorgung. 3,0 % 3,2 % 9,1 % 1,0 %
Ja, setze ich häufiger ein. 2,6 % 5,8 % 6,6 % 5,9 %
Ja, aber eher selten. 39,0 % 25,6 % 15,7 % 28,4 %
Nein, denn es gibt keine sinnvolle App für meinen Bereich. 10,8 % 32,3 % 47,1 % 22,1 %
Nein, die Apps sind zwar grundsätzlich sinnvoll, aber aktuell überteuert. 18,6 % 15,3 % 7,4 % 22,8 %
Nein, davon halte ich grundsätzlich nichts. 26,0 % 17,9 % 14,0 % 19,8 %

Dass Zahnärzt:innen so selten DiGA verschreiben, verwundert nicht: Laut der Stiftung Gesundheit seien hier noch keine passenden Apps auf dem Markt. Aber was ist mit den Haus- und Fachärzt:innen? Dass 44,6 Prozent der Hausärzt:innen DiGA (selten oder mehr) verschreiben, ist zunächst einmal positiv. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass mehr als die Hälfte die Apps nicht einsetzt – teilweise ganz bewusst. Die folgende Grafik zeigt, wie der allgemeine Einsatz der DiGA der letzten Jahre ausschaut.

Die App auf Rezept kommt ins Stocken?

2020 ging es mit den DiGA los, da verwundert es nicht, dass der Einsatz der Apps noch so gering war. Aber von da an, ging es Jahr für Jahr nach oben. 2022 gab es verglichen zum Vorjahr sogar fast 20 Prozent mehr Ärzt:innen, die DiGA einsetzen. Aber 2023? Verglichen zum Vorjahr gab es nur 3,5 Prozent mehr. Warum ist der Anstieg so ins Stocken geraten? Die Stiftung Gesundheit stellt die Frage, ob bereits eine „Sättigungsphase“ erreicht sei.

Die Stiftung hat hierzu die Freitext-Antworten angesehen und unter anderem folgende Gründe für den dürftigen Trend genannt:

  • fehlende Zeit für das Einarbeiten in die Anforderungen und rechtlichen Verpflichtungen zum Thema DiGA

  • fehlende Zeit, um sich intensiver mit den einzelnen DiGA auseinanderzusetzen

  • grundsätzlich eine konservative Haltung gegenüber dem Thema DiGA

  • fehlende Vertrautheit mit digitalen Anwendungen an sich

  • (ältere) Patient:innen ohne Technik-Affinität

  • verschriebene DiGA werden von den Patient:innen nicht konsequent genutzt und werden nach kurzer Zeit abgebrochen

  • verschriebene DiGA werden gar nicht erst eingelöst

To do: Mehr Aufklärungsarbeit, bessere Vergütungen, optimiertere Apps und Direktversorgung im Heilmittelbereich

Was also tun? Von einer „Sättigungsphase“ kann wirklich nicht gesprochen werden. Eher ist es Sache aller, das Thema DiGA weiter voranzutreiben und mit anzustoßen. Unter anderem ist es notwendig, dass die Entwickler, die Kassen, der Gesetzgeber und die verschiedenen Verbände und Interessenvertretungen Aufklärungsarbeit zum Thema DiGA leisten. Für die Patient:innen sowie für die Arztpraxen müssen sie attraktiver gemacht werden. Unter anderem sollte auch über eine Verbesserung der Vergütung nachgedacht werden.

Außerdem: „Das Ziel müssen nutzerfreundliche Apps sein, die sich intuitiv und ohne aufwändige Einarbeitung bedienen lassen – von Patienten ebenso wie von den betreuenden Ärzten“, kommentiert Dr. Dr. Konrad Obermann, der Forschungsleiter der Stiftung Gesundheit.

Immerhin wurde im Dezember mit dem Digital-Gesetz (DigiG) schon ein erster Schritt nach vorn getan. Beispielsweise dürfen DiGA nun auch für Medizinprodukte der Risikoklasse IIb (2b) – wie Anästhesiegeräte, Beatmungsgeräte, Defibrillatoren oder Dialysegeräte – erstellt werden. Unter anderem könnten die Apps somit zum Telemonitoring, also zum Erfassen und Auswerten von Gesundheitsdaten, genutzt werden. Trotzdem: Nach wie vor ist bei den DiGA noch Luft nach oben!

Zur Studie der Stiftung Gesundheit

 

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