Zukunftspakt Pflege: Was bedeuten die Ergebnisse für ambulante Dienste?
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Zukunftspakt Pflege: Was bedeuten die Ergebnisse für ambulante Dienste?

Bund-Länder-AG stellt Ergebnisse vor: Viele Ansätze, wenig Konkretes. Was ambulante Pflegedienste jetzt wissen müssen.

Letzte Woche haben Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ vorgestellt. Nach monatelanger Arbeit sollte ein Fahrplan für die große Pflegereform entstehen. Das Ergebnis: viele gute Ansätze, aber kaum konkrete Entscheidungen. Besonders für die ambulante Pflege, Intensivpflege und Betreuung stellt sich die Frage: Was kommt da auf sie zu?

 

Die wichtigsten Eckpunkte im Überblick

Hier die zentralen Ergebnisse der Arbeitsgruppe auf einen Blick:

  • Prävention und fachliche Begleitung: Pflegebedürftigkeit soll durch gezielte Maßnahmen hinausgezögert werden. Geplant sind regelmäßige Gesundheits-Check-ups zur Erkennung individueller Risikofaktoren sowie eine fachliche Begleitung und Unterstützung Pflegebedürftiger zu Hause. Zusätzlich ist ein Notfallbudget für Randzeiten vorgesehen, um häusliche Pflegesituationen zu stabilisieren.
  • Budget-Lösung für mehr Flexibilität: Ambulante Sach- und Entlastungsleistungen sollen zu einem flexiblen Budget gebündelt werden. Ziel ist mehr Flexibilität und weniger Bürokratie. Ein geplantes digitales „Pflege-Cockpit" soll die Nutzung erleichtern.
  • Entlastung im stationären Bereich: Die medizinische Behandlungspflege in Pflegeheimen soll komplett von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Die Ausbildungskosten in der Pflege sollen durch Steuermittel finanziert werden.
  • Entbürokratisierung: Doppelte Vorgaben auf Bundes- und Landesebene sollen abgebaut werden, vor allem bei Personaleinsatz und Qualitätssicherung. Das soll die Arbeitsbedingungen von Pflegenden verbessern und die Attraktivität von Pflegeberufen erhöhen.
  • Digitalisierung und Innovation: Pflege-Innovationen, vor allem in den Bereichen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, sollen unbürokratisch gefördert werden. Ziel ist, Abläufe effizienter zu gestalten.
  • Aber auch massive Einschnitte geplant: Im Rahmen der Arbeitsgruppe wurde diskutiert, die Leistungen beim Pflegegrad 1 neu auszurichten – weg vom pauschalen Entlastungsbetrag hin zu stärker präventiven und beratenden Angeboten. Auch für Pflegegrad 2 und 3 stehen Überlegungen im Raum, die erste Leistungsphase stärker an Beratung und Begleitung zu koppeln, etwa über eine gestufte Auszahlung. Zudem wird geprüft, ob die bisherigen Schwellenwerte für die Einstufung in einen Pflegegrad fachlich angepasst werden sollten. Konkrete Beschlüsse hierzu gibt es bislang nicht.
  • Keine konkrete Finanzierung: Alle vorgeschlagenen Maßnahmen stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Weder Bund noch Länder haben sich auf einen klaren Finanzierungsrahmen geeinigt.

Prävention und fachliche Begleitung – die Reaktionen

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken betont: „Wir sind angetreten, um die soziale Pflegeversicherung auf ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Fundament zu stellen.“ Der Schlüssel liege in Prävention und Aufklärung.

Der Deutsche Pflegerat bewertet die Ansätze grundsätzlich positiv. Christine Vogler, Präsidentin des DPR, stellt aber klar: „Entscheidend ist, dass diese Ansätze verbindlich mit pflegefachlichen Zuständigkeiten hinterlegt werden – in der häuslichen und stationären Pflege und im Zusammenspiel mit der kommunalen Gesundheitsversorgung. Ohne klar definierte Rollen und erweiterte Kompetenzen für Pflegefachpersonen bleiben auch gute Ideen im Alltag wirkungslos.“

Stefan Werner, Vizepräsident des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), mahnt an: Die geplante fachliche Begleitung könne nur funktionieren, wenn sie auch angemessen vergütet wird. Ohne klare Finanzierungszusagen bleiben gute Ideen Papier.

 

Kritik an Einschnitten: Pflegegrad 1, Kürzungen, Schwellenwerte

Die geplanten Einschnitte stoßen auf massive Kritik. Besonders die Streichung des Entlastungsbetrags für Pflegegrad 1 wird scharf abgelehnt. Stefan Werner vom DBfK stellt klar: „Die Ziele, mit denen der Pflegegrad 1 im Jahr 2017 eingeführt wurde, sind nach wie vor gut begründet. Der Pflegegrad 1 muss bleiben und den Zugang zu pflegefachlicher Leistung ermöglichen.“

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) warnt, dass niedrigschwellige alltagsunterstützende Angebote – viele davon ambulant erbracht – wegfallen würden. Gerade Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen wären massiv betroffen.

Auch die Kürzung des Pflegegeldes bei Pflegegrad 2 und 3 sowie die Anhebung der Schwellenwerte stoßen auf Widerstand. Die DAlzG kritisiert: Ein erschwerter früher Zugang zum Hilfesystem erhöhe das Risiko, schneller pflegebedürftig zu werden, und verkürze die Möglichkeit, im häuslichen Umfeld zu bleiben.

Die genannten Kürzungen und Schwellenwertanpassungen sind bislang nur Prüfoptionen innerhalb der Arbeitsgruppe – verbindliche Entscheidungen dazu stehen noch aus.

 

Das Hauptproblem: Keine konkrete Finanzierung

Die größte Schwachstelle des Zukunftspakts ist die fehlende Finanzierungszusage. Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, bringt es auf den Punkt: „Statt einen klaren Fahrplan aufzuzeigen, drücken sich die versammelten Verantwortungsträger auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene vor eindeutigen Aussagen und liefern keine Entscheidungen für eine nachhaltige Struktur- und Finanzierungsreform in der Pflegeversicherung.“

Die AOK spricht von einer „Roadmap ins Nirgendwo“. Reimann stellt klar: „Klare Perspektiven zur Finanzierung der Pflegeversicherung sind aber die Voraussetzung für sachgerechte Vorschläge zu einer großen Pflegereform, die diesen Namen auch verdient.“

Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der AWO, wird deutlich: „Die Pflege steckt in einer tiefen Krise und das ist nicht das Verschulden der Pflegekräfte oder Einrichtungen, sondern der kaputt gesparten und für eigentlich gesamtgesellschaftliche Aufgaben ausgeplünderten Pflegeversicherung.“ Ihre Forderung: „Uns rennt die Zeit davon, um die Pflegeversicherung aus ihrem Milliardendefizit zu holen – es muss endlich mit verbindlichen Vereinbarungen losgehen!“

 

Verbände: „Analyse ohne Konsequenzen“

Christine Vogler vom Deutschen Pflegerat formuliert es nüchtern: „Das Papier beschreibt vieles, was wir seit Jahren wissen – es bleibt aber bei einer unverbindlichen Sammlung von Möglichkeiten stehen.“ Sie weist auf die demografische Realität hin: „In den nächsten zehn Jahren geht rund ein Viertel der Pflegefachpersonen in Rente, gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen weiter an. Das ist Demografie, keine Überraschung.“

Stefan Werner vom DBfK ergänzt: „Die Misere der Pflegeversicherung rührt nicht daher, dass Einzelne sie nicht in der intendierten Absicht nutzen. Sie muss vielmehr strukturell beseitigt werden.“ Mehr als 5 Milliarden Euro wurden während der Corona-Pandemie entnommen und nicht zurückgezahlt. Versicherungsfremde Leistungen belasten die Kasse mit rund 4 Milliarden Euro jährlich.

Kritik an „Flexibilität“ beim Personal

Die geplanten Entscheidungsspielräume beim Personaleinsatz stoßen auf Skepsis. Christine Vogler vom Deutschen Pflegerat warnt: „Mehr Flexibilität kann helfen, Versorgungsengpässe abzufedern – sie darf aber nicht dazu führen, dass Qualifikationsniveaus abgesenkt und pflegesensitive Qualitätsstandards ausgehöhlt werden. Wer an der Qualifikation spart, riskiert vermeidbare Komplikationen, zusätzliche Krankenhausaufenthalte und am Ende höhere Kosten im System.“

Ihre Forderung: Eine moderne Gesundheitsversorgung braucht gut ausgebildete Pflegefachpersonen in ausreichender Zahl und mit klaren Entscheidungsspielräumen.

 

Was bedeutet das konkret für ambulante Pflegedienste?

Für jene, die in der ambulanten Pflege arbeiten, ergibt sich ein gemischtes Bild:

Chancen:

  • Budgetlösung könnte Flexibilität bringen – wenn sie nicht auf Kosten der Leistungshöhe geht
  • Prävention und fachliche Begleitung könnten neue Aufgabenfelder eröffnen – wenn sie vergütet werden
  • Notfallbudget könnte Pflegesituationen stabilisieren

Risiken:

  • Streichung Entlastungsbetrag Pflegegrad 1: Wegfall niederschwelliger Angebote, die oft ambulant erbracht werden
  • Kürzung Pflegegeld: Pflegende Angehörige haben weniger Geld – das könnte Druck auf die Angehörigen erhöhen und langfristig mehr professionelle Pflege nötig machen
  • Finanzierungsunsicherheit: Solange nicht klar ist, wer was zahlt, bleibt alles Spekulation
  • Flexibilität beim Personal: Wenn Qualifikationen gesenkt werden, leiden Qualität und Attraktivität der Pflegeberufe

Der Paritätische stellt eine zentrale Frage zur geplanten Budgetlösung: Wenn die Lösung ausgabenneutral sein soll und heute oft nicht in Anspruch genommene Leistungen gekappt werden – bedeutet das dann, dass Pflegebedürftige, die heute schon alle Möglichkeiten ausschöpfen, nach der Reform weniger bekommen?

 

Wie geht es weiter?

Das Bundesgesundheitsministerium will nach interner Abstimmung im Februar einen Vorschlag zur Finanzierung vorlegen. Danach soll ein Gesetzentwurf für eine „nachhaltige Pflegestruktur- und -finanzierungsreform“ erarbeitet werden. Ziel ist eine Pflegereform bis Ende 2026.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken fasst zusammen: „Die heutigen Ergebnisse sind eine gute Grundlage, um im engen Austausch innerhalb der Bundesregierung und mit den Ländern einen Gesetzentwurf zu erarbeiten.“

Ob daraus tatsächlich eine Reform wird, die ambulante Pflegedienste stärkt und Pflegebedürftige entlastet – oder ob am Ende vor allem gespart wird – das wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

 

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Quelle: Ergebnisse „Zukunftspakt Pflege“

 

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